Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin ist verfassungswidrig
Regelungsziel- und Umfang des MietenWoG Bln
In urbanen Ballungsräumen, insbesondere in Großstädten wie Berlin und München, zeichnete sich die letzten Jahre ein Anstieg der Wohnraummieten ab, der zu kontroversen politischen und juristischen Diskussionen über die Sozialverträglichkeit der Mietpreisentwicklung führte. Am 23.02.2020 trat das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) in Kraft und sollte einen Lösungsansatz für die angespannte Situation des Berliner Wohnungsmarkts bieten.
Im Kern enthielt das Gesetz folgende drei Regelungskomplexe:
- einen Mietenstopp, der eine Miete verbietet, die die am Stichtag des 18.06.2019 wirksam vereinbarte Miete überschreitet (§§ 1, 3 MietenWoG Bln)
- eine lageunabhängige Mietobergrenze bei Wiedervermietungen (§§ 1, 4 MietenWoG Bln) mit teilweiser Erlaubnis von gebäude- und austattungsbezogenen Zuschlägen sowie Modernisierungsmaßnahmen (vgl. §§ 1, 4 iVm §§ 6, 7 MietenWoG Bln)
- ein gesetzliches Verbot überhöhter Mieten (§§ 1, 5 MietenWoG Bln).
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.04.2021 (2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20)
Am 15.04.2021 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin für mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig erklärt.
Die Unvereinbarkeit ergibt sich im Kern aus der fehlenden Gesetzgebungsbefugnis des Landes Berlin zum Erlass des „Mietendeckels" was auf folgende wesentliche Erwägungen des Senats gestützt wird:
- Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern wird in Art. 70 ff. GG abschließend geregelt und kann nur alternativ ausgeübt werden. Dem Bund steht die Gesetzgebungskompetenz zum einen zu, wenn sie ihm ausdrücklich und ausschließlich zugewiesen ist (vgl. Art. 73 GG) oder aber solange und soweit er von einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 72, 74 GG).
- Regelungen zur Miethöhe für ungebundenen Wohnraum unterfallen dem Kompetenztitel des bürgerlichen Rechts gem. Art. 74 I Nr. 1 GG und sind damit Regelungsmaterie der konkurrierenden Gesetzgebung. Hat der Bund abschließend von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht, so steht den Ländern gem. Art. 72 I GG keinerlei Regelungsbefugnis mehr zu (sog. Sperrwirkung).
- Maßgeblich für die nun angenommene fehlende Gesetzgebungsbefugnis des Landes Berlin ist eine abschließende Regelung durch den Bundesgesetzgeber, die denselben Gegenstand – Miethöhenregelung – wie die landesgesetzliche Regelung betrifft.
- Der Bundesgesetzgeber hat mit den Regelungen der §§ 556 – 561 BGB von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Mietpreisrecht Gebrauch gemacht. Die Regelungsdichte, Komplexität und Zielsetzung dieser Normen verdeutlichen, dass der Bundesgesetzgeber die Mietpreishöhe für ungebundenen Wohnraum auch abschließend regeln wollte. Hiernach ist für eine landesgesetzliche Parallelgesetzgebung kein Raum. Insbesondere verdeutlichen zahlreiche Gesetzesnovellierungen und Einführungen seit 2015 (wie die in den §§ 556 d ff. BGB geregelte Mietpreisbremse), dass sich der Bundesgesetzgeber mit den Interessen von Vermietern und Mietern hinreichend auseinandergesetzt hat und mit Hilfe einer bundesgesetzlichen Regelung die Anspannung der Wohnungsmärkte selbst dämpfen wollte.
- Die landesgesetzlichen Regelungen des Berliner Mietendeckels treten neben das oben genannte Regelungsregime der §§ 556 ff. BGB und hebeln dort getroffene Wertungen u.a. durch Verschärfungen aus.
So verbietet § 3 I 1, II 2 MietenWoG Bln die nach § 557 I BGB zulässige Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis bzw. für Neuvermietungen und widerspricht damit dem Bundesgesetzgeber. Zudem ist der eine Mieterhöhung rechtfertigende Katalog an Modernisierungsmaßnahmen (vgl. § 7 MietenWoG Bln) restriktiver als im Bundesgesetz vorgesehen (vgl. § 555b Nr. 1, 3 – 6, 559 I BGB). Auch die Mietobergrenzen des § 6 I- III MietenWoG Bln hebeln die Möglichkeit einer Vereinbarung einer 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete betragenden Miete aus, obwohl dies in § 556 d I BGB bundesgesetzlich vorgesehen ist. - Andere Kompetenztitel können das MietenWoG Bln nicht tragen. Insbesondere scheidet der Kompetenztitel aus Art. 74 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) aus.
Konsequenzen des Urteils
Maßgeblich für die Beurteilung der Mietpreishöhe bleiben nun die bundesgesetzlichen Regelungen der §§ 556 – 561 BGB. Schätzungen zufolge sind ca. 3 Millionen Mieter in Berlin von den Auswirkungen des Urteils betroffen. Für viele wird sich vor allem die Frage nach der Wirksamkeit der sogenannten „Schattenmieten“ stellen. Diese Klauseln sehen eine höhere Miete für den Fall vor, dass das MietenWoG Bln vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert. Dieser Fall ist nun eingetreten. Die Wirksamkeit solcher Klauseln ist jedoch nicht abschließend gerichtlich geklärt. Es bestehen Zweifel, ob derartige Eventualmietvereinbarungen einer gerichtlichen Kontrolle standhalten. Mieterhöhungen sind bei der Wohnraummiete nur in begrenztem Umfang möglich. Der Umfang bestimmt sich nach § 557 BGB. Möglich sind eine einvernehmliche Vereinbarung der Parteien, eine Erhöhung durch Staffel- oder Indexmiete oder im Zuge von Modernisierungen sowie nach § 558 ff. BGB, wenn die Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist nach § 557 Abs. 4 BGB ausdrücklich unwirksam.
Ob es also erfolgsversprechend ist, die höheren „Schattenmieten“ im Streitfall gerichtlich durchzusetzen ist strittig und die Erfolgsaussichten müssten im Einzelfall geprüft werden.
Auf der anderen Seite sind wegen des Mietendeckels vorgenommene Senkungen der Miete in Bestandsmietverhältnissen möglicherweise unwirksam und die Mieter müssen jetzt wegen der in zu geringem Umfang geleisteten Miete nachzahlen.
Gerne beraten wir Sie zu allen Fragen im Zusammenhang mit dem Berliner Mietendeckel und werden Sie selbstverständlich weiterhin auf dem Laufenden halten.