ELTIF 2.0 – jetzt auch in Deutschland!
ELTIF 2.0-Verordnung, Verwaltungspraxis der BaFin zu ELTIF in Deutschland und Entwurf der ESMA zu Regulatory Technical Standards (RTS) – ein Überblick
Am 10. Januar 2024 ist die geänderte Verordnung (EU) 2015/760 über europäische langfristige Investmentfonds („ELTIF-VO“ oder „ELTIF 2.0“) in Kraft getreten. Im Nachgang hierzu hat auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) am 1. Februar 2024 ihre Verwaltungspraxis für in Deutschland aufgelegte ELTIF in Form eines Fragenkatalogs „Häufige Fragen zur ELTIF-Verordnung“ (die „BaFin-FAQ“) veröffentlicht. Damit ist nun auch für deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften der Weg bereitet, ELTIF in Deutschland aufzulegen und ihre Angebotspalette um ELTIF Produkte zu erweitern. Die BaFin-FAQ stellen eine sehr flexible und praxistaugliche Regulierung von ELTIF in Deutschland dar, so dass die Möglichkeiten für deutsche ELTIF nicht hinter ELTIF aus anderen EU-Ländern, insbesondere Luxemburg, zurückbleiben. Dies ist für den deutschen Fondsmarkt sehr zu begrüßen, denn ELTIF 2.0 dürfte zu einem Game-Changer im europäischen Markt der Alternativen Investmentfonds für Privatanleger werden.
1. ELTIF 1.0 - Nur sehr verhaltene Akzeptanz im Markt
Bereits seit 2015 besteht mit der ursprünglichen ELTIF-VO ein europaweit einheitlicher Rechtsrahmen für die Auflage von ELTIF (ELTIF 1.0). Allerdings wurden bis Ende 2023 nur ca. 80 ELTIF mit einem verwalteten Vermögen von circa elf Milliarden Euro unter dem bisherigen Rechtsrahmen aufgelegt, davon die Mehrheit in Luxemburg und nur wenige in anderen EU-Ländern.
In Anbetracht des ausbleibenden Erfolges des ELTIF am Markt entschied sich die EU-Kommission, die ELTIF-VO grundlegend zu überarbeiten. Dabei sollten vor allem regulatorische Hürden abgebaut und die Attraktivität des ELTIF, gerade auch für Privatanleger, gesteigert werden. Mit der Verabschiedung der Verordnung (EU) 2023/606 vom 15. März 2023 zur Änderung der ELTIF-VO wurde diese Überarbeitung auf europäischer Ebene abgeschlossen.
Unter deutschem Recht wurde bisher kein ELTIF aufgelegt, weil unklar war, welche Anforderungen die BaFin an eine Kapitalverwaltungsgesellschaft („KVG“), die einen ELTIF verwaltenden möchte, oder an die Produktausgestaltung eines ELTIF stellen würde. Mit der Veröffentlichung der BaFin-FAQ dürfte sich dies nun ändern.
2. ELTIF 2.0 - Grundlagen
ELTIF qualifizieren als Alternative Investmentfonds („AIF“) im Sinne der AIFM-Richtline (Richtlinie 2011/61/EU) („AIFMD“) und des Kapitalanlagegesetzbuches („KAGB“). Sie müssen von einem zugelassenen AIFM verwaltet werden, eine bloße Registrierung als AIFM ist nicht ausreichend. Für Deutschland bedeutet dies, dass ELTIF von einer KVG verwaltet werden müssen, die über eine Erlaubnis nach § 20 KAGB verfügt.
Die ELTIF-VO stellt als Produktregulierung Anforderungen an die Ausgestaltung des ELTIF. Mit ELTIF 2.0 wurden diese Anforderungen deutlich flexibler ausgestaltet. Einige Eckpunkte sollen nachfolgend zusammengefasst werden:
- ELTIF können zur Umsetzung von verschiedensten Investmentstrategien genutzt werden. So dürfen sie ihr Kapital in alternative Assets wie Infrastruktur, Private Equity, Immobilien und sonstige Sachwerte investieren und können sowohl Kredite begeben als auch Kreditforderungen erwerben (Private Debt).
- ELTIF dürfen sowohl direkt investieren als auch über andere Fonds. Damit ist die Ausgestaltung eines ELTIF sowohl als Dachfonds als auch als Feeder-Fonds eines Master-ELTIF zulässig.
- Anlage- und Konzentrationsgrenzen wurden unter ELTIF 2.0 deutlich gelockert. Beispielswiese wurde der maximal zulässige Anteil des ELTIF-Kapitals, der in ein einzelnes Asset (einschließlich Anlagen in andere Fonds) investiert werden darf, von 10% auf 20% Prozent erhöht. Im Bereich der Dachfonds ist es nun auch zulässig, in jegliche in der EU aufgelegte und verwaltete AIF zu investieren, sofern diese selbst in für ELTIF zulässige Anlagen investieren. Ferner wurde für ELTIF auch die Fremdkapitalaufnahmegrenze gelockert, so dass ein ELTIF nun Fremdkapital in Höhe von bis zu 50% seines Nettovermögenswertes aufnehmen darf.
- ELTIF dürfen mittels eines europäischen Vertriebspasses nicht nur an professionelle Anleger, sondern gerade auch an Privatanleger in der EU vertrieben werden. Dabei wurde mit ELTIF 2.0 die bisher für den Vertrieb an Privatpersonen geforderte Mindestanlagesumme von 10.000 Euro sowie die Beschränkung, dass ein Privatanleger mit einem Gesamt-Finanzinstrument-Portfolio von bis zu EUR 500.000 maximal 10% seines Finanzinstrument-Portfolios in ELTIF investieren durfte, aufgehoben. Nunmehr kann ein ELTIF an jeden Privatanleger vertrieben werden. Dafür ist lediglich eine Geeignetheitsprüfung durchzuführen, bei der die Kenntnisse und Erfahrungen des Privatanlegers, seine finanziellen Verhältnisse, seine Fähigkeit, die mit der Anlage verbundenen möglichen Verluste zu tragen, und seine Anlageziele zu berücksichtigen sind.
- Bei Ausgestaltung des ELTIF als institutionelles Produkt, das nur an professionelle Anleger vertrieben wird, kann von einer Vielzahl der Anlagegrenzen abgewichen werden.
3. BaFin-FAQ – Klarheit für die Auflegung von ELTIF in Deutschland
Die BaFin-FAQ schaffen Klarheit für die Auflegung von ELTIF in Deutschland, da die wesentlichen bisher offenen Fragen im Zusammenhang mit der Auflegung und Verwaltung von ELTIF in Deutschland darin beantwortet sein dürften. Insbesondere nimmt die BaFin in den BaFin-FAQ zu folgenden Aspekten Stellung:
3.1 Rechtsform für deutsche ETIF
Ein ELTIF kann in Deutschland in jeder Rechtsform aufgelegt werden, die nach dem KAGB für Investmentvermögen zulässig ist. Folglich dürfen ELTIF als Sondervermögen, Investmentkommanditgesellschaften oder Investmentaktiengesellschaften aufgelegt werden. Dabei ist sowohl die Wahl der offenen als auch der geschlossen Variante der jeweiligen Rechtsform möglich. Beschränkungen des KAGB, nach denen bestimmte Rechtsformen bei bestimmten Vermögensgegenständen oder bestimmten Anlegergruppen nicht verfügbar sind, finden keine Anwendung. So könnte beispielsweise ein offenes ELTIF-Sondervermögen zur Anlage in Private Equity genutzt werden.
3.2 Flexible Ausgestaltung von deutschen ELTIF
Die BaFin-FAQ stellen klar, dass die Anlagegrenzen oder Anforderungen, die bei verschiedenen Produktkategorien des KAGB bestehen, für einen ELTIF nicht gelten. Sie sieht den ELTIF als eine eigenständige Fondskategorie, so dass in Bezug auf mögliche Anlagegrenzen und -beschränkungen allein die Vorgaben der ELTIF-VO Anwendung finden. Dies bedeutet, dass beispielsweise ein in Immobilien investierender ELTIF nicht an die Beschränkungen der §§ 230 – 260 KAGB gebunden ist, die für deutsche offene Immobilienpublikumsfonds gelten.
Bei der Neuauflage von Publikumsfonds in Deutschland stellt sich daher fortan die Frage, ob man bei den Produktkategorien des KAGB (z.B. Immobilien-Sondervermögen, Infrastruktur-Sondervermögen) mit den detaillierten Anforderungen des KAGB verbleiben oder nicht wegen der größeren Flexibilität gleich einen ELTIF verwenden sollte. Letzterer würde gleichzeitig auch noch eine europaweite Vertriebsmöglichkeit an Privatanleger bieten. Für bestehende offene Immobilienpublikumsfonds oder Infrastruktur-Sondervermögen kann gegebenenfalls eine Umwandlung in einen ELTIF in Betracht gezogen werden.
3.3 Keine Erlaubniserweiterung für Verwaltung von ELTIF
Die Frage, ob eine KVG für die erstmalige Verwaltung eines ELTIF eine formelle Erlaubniserweiterung benötigt, wird von der BaFin ebenfalls sehr pragmatisch beantwortet. So ist nach Ansicht der BaFin keine Erlaubniserweiterung notwendig, wenn die bestehende Erlaubnis einer KVG die geplante Ausgestaltung des ELTIF in Bezug auf die Assetklasse, Rückgaberechte (offen oder geschlossen), und den anvisierten Anlegerkreis (Privatanleger oder professionelle Anleger) bereits abdeckt. Dabei können die Merkmale aus der bestehenden Erlaubnis einer KVG für den ELTIF frei kombiniert werden, so dass beispielsweise eine bisherige Erlaubnis zur Verwaltung geschlossener Publikums-Immobilienfonds und offener Wertpapierspezialfonds auch die Verwaltung eines offenen ELTIF ermöglichen würde, der in Immobilien investiert und an Privatanleger vertrieben wird. Allerdings muss der Unternehmensgegenstand der KVG in Gesellschaftsvertrag oder Satzung ausdrücklich die Verwaltung von ELTIF vorsehen bzw. entsprechend ergänzt werden.
Bei Master-Feeder Strukturen und Dachfonds will die BaFin für die Zwecke der Erlaubnis ausschließlich bei geschlossenen Feeder- oder Dachfonds eine Durchschau auf die Vermögensgegenstände des Master-Fonds/der Zielfonds vornehmen. In diesem Fall müsste auch die Verwaltung der Vermögensgegenstände des Master-Fonds/der Zielfonds von der Erlaubnis der den Feeder- oder Dachfonds verwaltenden KVG umfasst sein. Bei offenen Feeder- oder Dachfonds soll dagegen keine Durchschau auf Vermögensgegenstände des Master-Fonds/der Zielfonds notwendig sein.
3.4 Laufzeit eines ELTIF
Die ELTIF-VO enthält keine konkreten Vorgaben für die Laufzeit des ELTIF. Sie muss allerdings mit den Laufzeiten seiner einzelnen Vermögenswerte vereinbar sein und auch der langfristigen Natur des ELTIF entsprechen. In Bezug auf geschlossene ELTIF, die auch an Privatanleger vertrieben werden können, ergänzt die BaFin, dass hier die Obergrenze für die mögliche maximale Laufzeit 30 Jahre beträgt.
3.5 Vertrieb von ELTIF durch Finanzanlagenvermittler gemäß § 34f GewO
Finanzanlagenvermittlern im Sinne des § 34f Gewerbeordnung (GewO) dürfen der BaFin zufolge Anteile an ELTIF vertreiben.
4. Regulatory Technical Standards (RTS) der ESMA zur ELTIF 2.0
In der ELTIF-VO sind verschiedene Regelungen der weiteren Konkretisierung durch sog. Regulatory Technical Standards (RTS) vorbehalten. Hierzu hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) am 19. Dezember 2023 ihren finalen Entwurf veröffentlicht (ESMA34-1300023242-159) („Draft-RTS“). Allerdings ist der Entwurf bei vielen Marktteilnehmern auf Widerstand gestoßen, so dass derzeit noch unklar ist, wann die RTS tatsächlich finalisiert sein werden. Neue ELTIF-Auflegungen sind jedoch trotz dieser Regulierungsunschärfe auf europäischer Ebene möglich.
4.1 Regelungen für offene ELTIF
Die Draft-RTS enthalten unter anderem auch Regelungen, die für offene ELTIF, d.h. ELTIF die den Anlegern vor der Liquidationsphase des ELTIF ein Rückgaberecht gewähren, von hoher Relevanz sind. So werden darin Vorgaben in Bezug auf die vom Anleger einzuhaltende Mindesthaltedauer, die Rückgabeankündigungsfrist und zu zulässigen Rücknahmeintervallen gemacht, sowie Ausführungen zum Vorhalten von Mindestliquidität im ELTIF getroffen.
4.1.1 Mindesthaltedauer
In Bezug auf die Mindesthaltedauer sehen die Draft-RTS keine feste Zeitspanne vor, vielmehr kann die Mindesthaltedauer unter Berücksichtigung verschiedener in den Draft-RTS genannter Umstände für jeden ELTIF individuell bestimmt werden.
4.1.2 Rücknahmeintervalle, -ankündigungsfristen und Mindestliquidität
Nach den Draft-RTS sollen Rückgaben grundsätzlich maximal quartärlich möglich sein, wobei hiervon bei entsprechender Begründung auch abgewichen werden kann.
Des Weiteren sollen Rücknahmeankündigungsfristen grundsätzlich mindestens 12 Monate betragen. Auch hier sind kürzere Ankündigungsfristen möglich, wobei dann nach Ansicht der ESMA im ELTIF eine Mindestliquidität vorzuhalten ist. Die Draft-RTS enthalten hierzu detaillierte Vorgaben, die eine Mindestliquidität von 13% bis zu 40% vorsehen. Eine Mindestliquidität von 40% wäre dann einzuhalten, wenn die Ankündigungsfrist weniger als sechs Monate betragen soll. Im Fall einer Ankündigungsfrist von unter 12 Monaten sollen des Weiteren auch detaillierte Vorgaben zu sog. Redemption Gates (siehe Ziffer 4.1.4 unten) gelten. Die Kritik der Marktteilnehmer setzt insbesondere an den detaillierten Vorgaben der ESMA zu Mindestliquidität und den Redemption Gates an und es bleibt abzuwarten, inwieweit hier noch Änderungen erfolgen werden.
4.1.3 Liquiditätsmanagement-Tools
Nach den Draft-RTS müssen offene ELTIF mindestens eines der folgenden Tools zum Liquiditätsmanagement einsetzen: Anti-Dilution Levy, Swing Pricing oder Rücknahmegebühren. Daneben soll auch der Einsatz von zusätzlichen Liquiditätsmanagement-Tools zulässig sein.
4.1.4 Redemption Gates
Gemäß Art. 18 Abs. 2 lit. d) der ELTIF-VO ist in den Rücknahmeregelungen des ELTIF sicherzustellen, dass Rücknahmen auf einen bestimmten Prozentsatz der vom ELTIF gehaltenen liquiden Assets beschränkt sind. Die Draft-RTS enthalten hierzu Vorgaben, die bei der Bestimmung des Prozentsatzes zu beachten sind.
4.2 Weitere Regelungen in den Draft-RTS
Die Draft-RTS enthalten unter anderem auch noch Regelungen zum zulässigen Einsatz von Derivaten zu Absicherungszwecken, zur Bestimmung der Laufzeit eines ELTIF und zur Ausgestaltung des sog. Matching-Prozesses (Sekundärmarkt) gemäß Art. 19 ELTIF 2.0.
5. Fazit
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten regulatorischen Entwicklungen, ist der ELTIF eine sehr interessante und sehr flexible neue Produktvariante, die nunmehr auch in Deutschland umgesetzt werden kann. So können im Bereich der Publikums-AIF nicht nur neue Investmentstrategien unabhängig von den bestehenden Fondskategorien und Produktregelungen des KAGB angedacht und umgesetzt werden, sondern es eröffnet sich zusätzlich auch eine EU-weite Vertriebsmöglichkeit an Privatanleger.