Meinungsfreiheit im deutschen Profifußball – Wird die Europameisterschaft zur politischen Bühne?

Politische Anschauungen sind grundsätzlich Privatsache und ein Recht auf die eigene Meinung haben auch Arbeitnehmer. Als reine Privatangelegenheit scheinen viele Arbeitnehmer jedoch auch Postings in den sozialen Medien anzusehen. Die Gerichte, die sich mit Kündigungen etwa nach rassistischen Äußerungen oder Beleidigungen des Vorgesetzten auf Facebook beschäftigten, sehen das nicht immer so. Sind Ruf- oder Geschäftsschädigung zu befürchten, muss der Arbeitgeber nicht alles dulden. 

Darüber, wo die Grenzen verlaufen, wird auch im Profifußball gestritten. Schon mehrmals haben öffentliche Positionierungen von Spielern oder Verantwortlichen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen geführt, etwa beim einstigen Torwarttrainer von Hertha BSC, Zsolt Petry, der 2021 mit seinen Aussagen zum Thema Migration und gleichgeschlechtlicher Ehe Schlagzeilen machte und als Reaktion hierauf freigestellt wurde. Mediale Beachtung fanden zuletzt vor allem die Äußerungen der Bundesligaspieler Anwar El Ghazi vom FSV Mainz 05 und Noussair Mazraoui vom FC Bayern München, die in den sozialen Medien im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza Stellung bezogen. Während im Falle Mazraouis nach einem klärenden Gespräch mit dem Verein von Konsequenzen abgesehen wurde, wurde El Ghazi vom FSV Mainz 05 gekündigt. Gegen die Kündigung geht der Spieler aktuell gerichtlich vor, das Ergebnis des am 19. Juni stattfindenden Kammertermins des Arbeitsgerichts Mainz dürfte medial hohe Wellen schlagen.

Dass politische Meinungsäußerungen auch bei Fußball-Großveranstaltungen eine Rolle spielen können, zeigte die Weltmeisterschaft 2022 in Katar, als sich die Deutsche Nationalmannschaft vor dem ersten Gruppenspiel beim Mannschaftsfoto kollektiv die Hand vor den Mund hielt. Die Geste wurde als Protest gegen den Weltverband FIFA gewertet, der einige Tage zuvor das Tragen der „One Love“-Binde untersagt hatte – einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde, mit der auf Menschenrechtsrechtsverletzungen in Katar hingewiesen werden sollte. Mit Blick auf die vor der Tür stehende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ist es denkbar, dass auch diese als Bühne für politische Statements genutzt wird, ähnlich wie es im Februar 2024 bereits bei der Berlinale-Gala der Fall war.

Welche rechtlichen Grenzen im Profifußball für öffentliche Äußerungen zu ziehen sind, soll nachfolgend in einem arbeitsrechtlichen Kontext beleuchtet werden.

Spannungsfeld

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG entfaltet auch im Privatrecht mittelbare Wirkung.  Eine Schranke findet es nach Art. 5 II GG allerdings in den „allgemeinen Gesetzen“, zu denen auch die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rücksichtnahmepflichten nach § 241 II BGB zählen. Rücksicht zu nehmen ist etwa auf das Interesse des Arbeitgebers am Erhalt des Betriebsfriedens. Im Kontext der nach Art. 12 I GG geschützten Berufsfreiheit des Arbeitgebers sind auch die wirtschaftlichen Folgen möglicher Reputationsschäden zu berücksichtigen. Insgesamt kann sich anhand der Interessen des Arbeitgebers nach dem BAG für den Arbeitnehmer die Pflicht ergeben, „sich selbst hinsichtlich des Rechts der freien Meinungsäußerung eine Schranke aufzuerlegen“. Zur vorherigen Festlegung der Grenzen wird zunehmend dafür plädiert, Social-Media-Klauseln in den Arbeitsvertrag aufzunehmen bzw. eine entsprechende Policy oder Betriebsvereinbarung einzuführen.

Ob in einer Äußerung eine Vertragspflichtverletzung gegenüber dem Arbeitgeber zu sehen ist, ergibt eine Abwägung der widerstreitenden Interessen. Zu berücksichtigen ist dabei zunächst, ob die Äußerungen im Betrieb getätigt wurden. Hier ist insbesondere relevant, ob der Arbeitgeber zum Schutze anderer im Betrieb Beschäftigter dazu verpflichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen. Solche Pflichten können sich aus § 12 I, III AGG ergeben, da der Arbeitgeber für das Wohl aller seiner Arbeitnehmer Sorge zu tragen hat.

Auch außerhalb der Arbeitszeit ist auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, wobei eine Verletzung dieser Interessen sicherlich sorgsamer zu prüfen ist. Ob ein Bezug zum Arbeitsverhältnis vorliegt, wird dabei von der Erkennbarkeit der Betriebszugehörigkeit und vom inhaltlichen Kontext einer Äußerung abhängen. Auch die Stellung des Arbeitnehmers etwa als Führungskraft mit Vorbildfunktion für Dritte kann eine Rolle spielen.

Letztlich sind der Empfängerkreis und die Reichweite der Äußerung zu beachten. Auf einem eher für berufliche Kontexte verwendeten Netzwerk wie LinkedIn kann einbezogen werden, dass Postings hier bewusst für Kunden und Geschäftspartner zugänglich gemacht werden.

Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers 

Als Reaktion des Arbeitgebers auf (außer-)dienstliche Äußerungen des Arbeitnehmers kommt eine Bandbreite arbeitsvertraglicher Rechtsfolgen in Betracht. Bei einer entsprechenden Klausel im Vertrag kommt eine Vertragsstrafe, ansonsten eine Abmahnung, Freistellung oder im äußersten Fall auch eine Kündigung in Betracht. Im Profifußball sind die zwischen den Spielern und dem jeweiligen Club bestehenden Verträge nach gängiger Praxis befristet, sodass wegen § 15 IV TzBfG regelmäßig nur eine außerordentliche Kündigung möglich ist. Diese muss sich im Ergebnis einer Abwägung als mildestes Mittel darstellen und ist ohne eine vorherige Abmahnung nur dann zulässig, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt oder bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung nicht zu erwarten wäre. Im Fall El Ghazi ist hier etwa zu berücksichtigen, dass sich dieser nach einem Krisengespräch mit dem Club und einer vorangegangenen Abmahnung nur wenige Tage später erneut öffentlich äußerte und seine Aussagen bekräftigte. 

Besonderheiten des Profifußballs auf Club-Ebene…

Im Verhältnis zum Club gelten für Profifußballer zunächst einmal die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln. Mit Blick auf die Natur des Profifußballs und dessen Reichweite und Popularität in Deutschland sind hinsichtlich Meinungsäußerungen des Arbeitnehmers jedoch spezielle Komponenten zu berücksichtigen.

In Bezug auf die oben thematisierte Abwägungsentscheidung ist etwa festzuhalten, dass insbesondere in der Freizeit getroffene Äußerungen im Profifußball anders zu beurteilen sein können als im Rahmen sonstiger Arbeitsverhältnisse. Aufgrund ihrer Popularität haben die Spieler eine Repräsentationsfunktion, die nicht mit konventionellen Arbeitnehmern vergleichbar ist. Hinzu kommt, dass Fußballclubs in der Regel umfangreiche Partnerschaften mit Sponsoren pflegen. Diese können durch polarisierende Äußerungen der Spieler gefährdet werden, wenn Sponsoren nicht mehr mit dem Club assoziiert werden möchten. Nicht zuletzt deshalb sieht der Musterlizenzvertrag des DFL eine Klausel vor, nach der Spieler alles zu unterlassen haben, was „die Reputation des Clubs beeinträchtigen“ kann.

Mit Blick auf die Meinungsfreiheit der Sportler ist zusätzlich zu beachten, dass sich eine Beeinträchtigung des Betriebsfriedens auch auf das Teamgefühl und damit die sportliche Leistungsfähigkeit der Mannschaft auswirken kann. Zudem wird die Grundrechtsbetroffenheit durch die kurzen Vertragslaufzeiten der Spieler gemindert. Die ihnen auferlegten Beschränkungen betreffen keinen mit sonstigen Arbeitnehmern vergleichbar langen Zeitraum, da die Karrieren von Profifußballern von Natur aus von vornherein zeitlich begrenzt sind und in der Regel fünfzehn Jahre währen. Daher wird im aufgezeigten Spannungsverhältnis häufiger den Interessen des Arbeitgebers der Vorrang einzuräumen sein als bei sonstigen Arbeitsverhältnissen.

…und im Verhältnis zum DFB

Die arbeitsrechtliche Stellung von Nationalspielern ist weitgehend ungeklärt. 

Im Grundsatz stehen Profifußballer in keinem Arbeitsverhältnis zu einem Sportverband, da es regelmäßig an der Weisungsgebundenheit und an einer Vergütung des Spielers durch den Verband fehlt. So erteilt die für die Organisation der 1. und 2. Bundesliga zuständige DFL den Spielern eine Lizenz, geht mit diesen aber kein Arbeitsverhältnis ein.  Bei der Bewertung von Spielern, die vom DFB für die Nationalmannschaft berufen werden, ist die Situation weniger klar, da während der Länderspiele keine Ligaspiele für den Club terminiert sind und der Club verbandsrechtlich verpflichtet ist, den betreffenden Spieler für die Zeit an den DFB abzustellen. Die Vorschriften in § 34 SpO DFB (Spielerordnung des DFB) und § 18 DFL-LOS (Lizenzordnung Spieler) zur Abstellung der Spieler an die Nationalmannschaft werden daher teilweise als Zustimmung des Clubs zur Nebentätigkeit beim DFB und der DFB als Arbeitgeber der Nationalspieler angesehen.

Jedenfalls unterwerfen sich auch die Nationalspieler dem Regelwerk der Verbände, sodass eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung besteht, die auch dem Verband Reaktionsmöglichkeiten einräumt. § 44 der Satzung des DFB sieht Sanktionen wie Verwarnung, Verweis, Geldstrafe oder Sperre vor, die nach § 9 Nr. 1 DFB RuVo (Rechts- und Verfahrensordnung) auch auf politische Äußerungen folgen können. Auch solche Regelungen unterliegen jedoch rechtlichen Grenzen. So ist eine Inhaltskontrolle nach §§ 242, 315 BGB möglich, im Rahmen derer die oben genannten Abwägungskriterien übertragen werden können. 

Unabhängig von seiner etwaigen Arbeitgeberstellung wären die Reaktionsmöglichkeiten des DFB im Falle von unliebsamen Äußerungen seiner Nationalspieler jedenfalls abweichend von der Club-Ebene zu bewerten. Da ein mögliches Arbeitsverhältnis mit dem Nationalspieler von einer Nominierung des Spielers abhängt, könnte der DFB eine solche Nominierung für die Zukunft schlicht unterlassen, wenn der Spieler sich in den Augen des Verbands rufschädigend verhält. Zudem beruht die Vergütung der Spieler anders auf Vereinsebene auf keiner laufenden Entgeltzahlung, sondern auf Qualifikations- oder Erfolgsprämien, die bei fehlender Nominierung nicht zu zahlen wären. Insgesamt birgt die arbeitsrechtliche Problematik bei Meinungsäußerungen der Profis im Verhältnis zum DFB somit weniger Brisanz als auf Clubebene. Losgelöst von einer rechtlichen Blickweise stellt die Berufung in den Nationalmannschaftskader und die Teilnahme an Endturnieren wie der Europameisterschaft regelmäßig ein Karrierehighlight dar, das zusätzlich zu einer beachtlichen Marktwertsteigerung des Spielers führen kann. Diese Tatsache könnte Spieler davon abhalten, sich in der Öffentlichkeit politisch zu äußern.

Ausblick 

Die Bewertung von Meinungsäußerungen im Profifußball hängt von einer Reihe an Kriterien ab. Auch wenn die Berufung in die Nationalmannschaft wie bei der WM in Katar 2022 zu einem erhöhten Druck führen kann, öffentlich Stellung zu beziehen, liegt die arbeitsrechtliche Problematik vor allem auf Vereinsebene. Hier sind letztlich die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten abzuwägen. Relevant ist sicherlich auch der Umgang des jeweiligen Clubs mit vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit und der generelle Umgangston im Club. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob sich die Spieler bei der anstehenden EM meinungsneutral verhalten oder politische Statements setzen und welches Urteil das Arbeitsgericht Mainz im Fall Anwar El Ghazi kommende Woche fällen wird. Der Entscheidung dürfte in jedem Fall eine gewisse Präzedenzwirkung hinsichtlich des Umgangs von Vereinen mit öffentlichen Äußerungen seiner Spieler zukommen.