Fragen und Antworten zur Institutsvergütungsverordnung

Von der Auslegungshilfe zu FAQ

Am 21. Juni 2023 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einen Entwurf von Fragen und Antworten (FAQ) zur Institutsvergütungsverordnung (IVV) zur Konsultation gestellt. Diese FAQ sollen die am 16. Februar 2018 veröffentlichte Auslegungshilfe zur IVV ersetzen. Gleichzeitig hat die BaFin in der Vorbemerkung zu den FAQ klargestellt, dass sie die in der vorgenannten Auslegungshilfe zur IVV beschriebene Verwaltungspraxis und in ihr getroffenen Auslegungsentscheidungen nicht aufgibt, soweit die FAQ keine Aktualisierung vorsieht. Daher wäre es wohl passender von einer Ergänzung der derzeit noch geltenden Auslegungshilfe statt von einer Ersetzung zu sprechen.

Wie in der Vergangenheit üblich, hat die BaFin die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) für eine solide Vergütungspolitik gemäß Richtlinie 2013/36/EU (EBA/GL/2021/04) in ihre Verwaltungspraxis übernommen. Diese Leitlinien sollen im Grundsatz unmittelbare Anwendung finden, soweit sich aus den FAQ keine Ausnahmen ergeben. 

In Abweichung zu ihrer bisherigen Praxis handelt es sich bei den FAQ aber nicht mehr um eine Auslegungshilfe im engeren Sinn. Vielmehr sollen in den FAQ Sachverhalte zusammengefasst werden, die nicht von den EBA-Leitlinien erfasst sind oder bei denen die Anwendung von Proportionalität als notwendig erscheint.

Wesentliche Neuerungen 

Die FAQ beinhalten einige Neuerungen, über die wir im Folgenden einen kurzen Überblick geben. 

Variable Vergütung

Die neuen FAQ sorgen für Klarheit bei der vergütungsrechtlichen Bewertung von bestimmten Vergütungsbestandteilen. 

Sog. „Konzernboni“, bei denen sich nach der Definition der BaFin ein  Teil der variablen Vergütung von Mitarbeitern eines Tochterinstituts am Erfolg der Muttergesellschaft orientiert, die weder ein Institut nach dem KWG noch der CRR ist, unterliegen als variable Vergütung in vollem Umfang den Anforderungen der IVV. Diese werden dabei u.a. dahingehend präzisiert, dass die geschäfts- und risikostrategischen Ziele des Instituts, auf denen die Vergütungsparameter basieren (vgl. § 4 IVV), auf den Konzernerfolg abstellen müssen und dass bei Risikoträgern (MRT) im Rahmen der Ex-post-Risikoadjustierung die Betrachtungsebenen Individuum, Organisationseinheit sowie Institut/Gruppe, nicht hingegen der Konzernerfolg, zugrunde zu legen sind. 

Neu sind die Ausführungen zu der Auszahlung von Leistungsanerkennungsprämien (recognition awards), die variable Vergütung i.S.d. IVV darstellen. Diese sind nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (z.B. muss es Vorgaben bzw. Kriterien für die möglichen Gründe und Anlässe für die Gewährung einer solchen Prämie geben) zulässig und können an MRT grundsätzlich nicht gewährt werden. 

Schließlich enthalten die FAQ konkretisierende Regelungen zu der Bewertung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung und von Ruhegehältern nach Vollendung einer Amtsperiode sowie zur Ausnahme von bestimmten Sachbezügen und Prämien im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens vom Vergütungsbegriff.

 

Negativer Erfolgsbeitrag

Negative Erfolgsbeiträge umfassen sitten- oder pflichtwidriges Verhalten oder Fälle mit objektiv schwerwiegenden negativen Auswirkungen für das Institut. Steht ein negativer Erfolgsbeitrag fest, ist ein Vergütungssystem nach § 5 Abs. 2 IVV angemessen, wenn die variable Vergütung teilweise reduziert oder bei gravierenden negativen Erfolgsbeiträgen – auch bei Nicht-MRT – vollständig gestrichen wird. Institute müssen soweit möglich im Voraus ihre Ermessenausübung in den Organisationsrichtlinien für den Fall negative Erfolgsbeiträge festlegen und durch interne Prozesse gewährleisten, dass negative Erfolgsbeiträge so rechtzeitig bekannt werden, dass eine Berücksichtigung bei der Gewährung variabler Vergütung möglich ist.

Environmental, Social & Governance (ESG)

Erstmalig lassen sich den FAQ – wenn auch wenige – Ausführungen zum Thema Environmental, Social & Governance (ESG) entnehmen. Die FAQ geben vor, dass ESG-Risiken in Bezug auf die Vergütung im Rahmen von § 4 IVV zu berücksichtigen sind. Um eine Ausrichtung der Vergütungsparameter an den Geschäfts- und Risikostrategien sowie den gesetzten strategischen Zielen zu erreichen, sollen wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne von ESG-Risiken ebenfalls in den Vergütungssystemen zu berücksichtigen sein. Als konkretes Beispiel wird die Festlegung bestimmter Nachhaltigkeitsziele als Vergütungsparameter angeführt.

Abfindungen

Im Hinblick auf Abfindungen gehen die FAQ erstmalig darauf ein, dass bei diesen vor allem der Abfindungszeitpunkt, der Auslöser und der Abfindungsumfang zu berücksichtigen sind. So soll eine Abfindungszusage, die nicht bereits in einem unmittelbar zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit einer sich konkret abzeichnenden Trennung steht, einen Anreiz darstellen können, Risiken einzugehen. Mit Geschäftsleitern vereinbarte sog. Change-of-Control-Klauseln als Auslöser für eine Abfindung sind grundsätzlich gerechtfertigt, wenn die Abfindung an das Vorliegen eines Kontrollwechsels und die Beendigung der Geschäftsleiterbestellung geknüpft wird.

Klargestellt wird weiterhin, dass Abfindungen, die bestehende Vergütungsansprüche abgelten und den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigen, von ihrem Umfang in der Regel angemessen sind. Insoweit steht ein Ausgleich für etwaig entgangene variable Vergütung für das laufende Bemessungsjahr einer Privilegierung der Abfindung gemäß § 5 Abs. 6 S. 5 IVV nicht entgegen.

Überbrückungsgelder und dergleichen, die einer nachvertraglichen Versorgung dienen, werden hingegen grundsätzlich als kritisch angesehen und bedürfen einer besonderen Rechtfertigung, insbesondere wenn sie für mehr als zwei Jahre gewährt werden sollen. 

Zu beachten ist, dass nach den FAQ jedes Institut durch vertragliche Vereinbarung sicherzustellen hat, dass Abfindungsansprüche mit Wirkung für die Zukunft gekürzt oder ersatzlos gestrichen werden können. Dies gilt auch für Abfindungen, die Nicht-MRT zugesagt werden, da sich laut BaFin eine solche Pflicht aus § 5 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 IVV ergibt.

Sind mehrere Privilegierungstatbestände nach § 5 Abs. 6 S. 5 Nr. 1 IVV erfüllt, bleibt weiterhin unklar, ob es einer Darlegung gegenüber der Aufsichtsbehörde bedarf. Nach unserer Einschätzung dürfte das in den FAQ gewählte Beispiel jedoch eher dagegensprechen. Neu ist auch, dass bei Vorliegen mehrerer Privilegierungstatbestände – abweichend vom Gesetzeswortlaut – auf eine Darlegung verzichtet werden kann, wenn die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes nach § 5 Abs. 6 S. 5 Nr. 3 IVV erfüllt sind. Nach den FAQ kann auch eine Sammelanzeige abgegeben werden, wenn die Abfindungen eine Vielzahl von gleichgelagerten und gleichgearteten Sachverhalten erfassen.

 

Bonuspool

Während die FAQ bestimmte Aussagen zur Festsetzung des Bonuspools in der Auslegungshilfe wiederholen, werden auch neue Aspekte beleuchtet. So soll das angemessene Verfahren bei der Festlegung des Bonuspools neben dem angedachten Prozessablauf insbesondere eine Festlegung der zugrundeliegenden Kriterien und Schwellenwerte auf institutsindividueller Basis beinhalten. Eine Abweichung hiervon bedarf der Zustimmung der Geschäftsleitung bzw. des Aufsichtsorgans und ist zu begründen sowie zu dokumentieren. 

Die nach § 7 IVV vorzunehmende Prüfung der Kriterien nach § 7 IVV hat zwingend auf Basis der zum maßgeblichen Geschäftsjahresende im Jahresabschluss attestierten Zahlen zu erfolgen. Sollte daher eine variable Vergütung ausnahmsweise vorab gewährt werden, muss eine Rückzahlungsklausel vereinbart werden, wonach die Zahlung unter den Vorbehalt einer positiven Bonuspool-Festsetzung gestellt wird.

 

Besondere Vergütungsanforderungen für Risikoträger (MRT)

Die FAQ nehmen auch Präzisierungen im Rahmen der Vergütung für MRT vor. Die Kriterien für einen vollständigen Verlust der variablen Vergütung nach § 18 Abs. 5 S. 3 IVV werden durch die FAQ konkretisiert. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Ausführungen zum Verschulden und zur Schadenshöhe hervorzuheben. So muss ein MRT grundsätzlich mindestens grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt haben abgesehen von „extremen Ausnahmefällen“, in denen es keines Verschuldens bedarf und durch sein Verhalten eine Gefahr geschaffen haben, die sich in einem Misserfolg realisiert hat. Erhebliche Verluste nach 18 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 IVV sind bspw. indiziert, wenn (i) die Erwartung des Verlusts eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß Art. 17 MAR auslöst, (ii) der unerwartete Verlust mindestens 1,0 Prozent des vom Institut tatsächlich vorgehaltenen Eigenkapitals entspricht und der MRT zu einem Exposure, dem ein unerwarteter Verlust von mindestens 1,0 Prozent des Eigenkapitals zuzuordnen ist, durch zumindest grobe Fahrlässigkeit maßgeblich beigetragen hat, oder (iii) stets, d.h. auch ohne Verschulden, wenn der (erwartete und unerwartete) Verlust mindestens 5,0 Prozent des tatsächlich vorgehaltenen Eigenkapitals beträgt. Dabei muss ggf. eine Zusammenrechnung von mehreren Verlusten erfolgen.

Die FAQ sehen, wie bereits die derzeit geltende Auslegungshilfe, vor, dass im Rahmen von § 19 Abs. 1 S. 1 IVV die beiden Betrachtungsebenen persönlicher Erfolgsbeitrag und Ressortbeitrag für hierarchisch höher angesiedelte MRT verschmolzen werden können. Neu ist insoweit, dass die BaFin eine Gewichtung von 30% hinsichtlich der verschmolzenen Ebene und 70% hinsichtlich des Gesamterfolgs des Instituts/der Gruppe für angemessen hält.

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass für die variable Vergütung des für die Risikosteuerung zuständigen Mitglieds der Geschäftsleitung im Vergleich zu den Mitarbeitern in Kontrollfunktionen Besonderheiten gelten.

In § 20 Abs. 5 IVV ist die Voraussetzung normiert, mindestens 50% der variablen Vergütung in Instrumenten auszuzahlen. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften sind nach den FAQ Aktien und aktienbasierte Instrumente zu nutzen. In allen anderen Fällen soll je nach Rechtsform auch auf aktienbasierte Instrumente oder andere gleichwertigere Instrumente, die den Unternehmenswert nachhaltig widerspiegeln, zurückgegriffen werden. In welchen Fällen es sich um aktienbasierte Instrumente oder gleichwertige Instrumente handelt, wird von den FAQ näher ausgeführt. Unter die anderen gleichwertigen Instrumente sollen Nachrangdarlehen, Anleihen oder Schuldscheine fallen, welche eine Tilgung an Schwellenwerte knüpfen, die auf bestimmten Unternehmenszahlen beruhen. Vertragliche Konstruktionen müssen nach den FAQ bestimmte Kriterien, wie z.B. durch Kennzahlen ermittelte Unternehmenswertentwicklung, erfüllen, um als gleichwertiges Instrument angesehen werden zu können. 

Die Instrumente müssen mit ihrem Marktpreis bzw. Zeitwert am Tag der Zuwendung bewertet werden, wobei es allerdings auch ausreichend sein soll, einen Durchschnittswert (auf Basis eines Zeitraums von bis zu einem Monat in zeitlicher Nähe zur Zuwendung) heranzuziehen.

Vergütungsbeauftragter und Berichte

Schließlich präzisieren die FAQ, welche Kenntnisse die in bedeutenden Instituten zu bestellenden Vergütungsbeauftragte (und deren Stellvertreter) im Bereich des Risikocontrollings aufweisen müssen. Nimmt ein Vergütungsbeauftragter nicht ausschließlich die Tätigkeit als Vergütungsbeauftragter wahr, soll der Arbeitsanteil festgelegt werden und mindestens 50% der Sollarbeitszeit betragen. In bedeutenden Instituten kann der Vergütungskontrollbericht des Vergütungsbeauftragten mit dem Bericht nach § 12 IVV über die Angemessenheit der Vergütungssysteme in einem Bericht zusammengefasst werden, der alle erforderlichen Informationen enthält. Die FAQ listen die Elemente auf, die ein Vergütungskontrollbericht mindestens zu enthalten hat.

Sonstiges

Neben den vorstehenden wesentlichen Änderungen enthalten die FAQ weitere Regelungen u.a. zu der Stichprobenpflicht sowie zu Besonderheiten für Förderinstitute.

Ausblick

Bis zum 4. August 2023 besteht die Möglichkeit, bei der BaFin eine Stellungnahme zu dem Entwurf der FAQ abzugeben. Es bleibt daher abzuwarten, ob und inwieweit die vorliegenden FAQ weiteren Modifikationen unterliegen werden. 
Über die weitere Entwicklung werden wir Sie auf dieser Seite auf dem Laufenden halten.