Neuregelung der Betriebsratsvergütung – Mehr Rechtssicherheit für Arbeitgeber?

Die Bundesregierung hat am 1. November 2023 einen „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ veröffentlicht, mit dessen Hilfe Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit der Betriebsratsvergütung begegnet werden soll.

Der Bundestag hat diesen Entwurf am 28. Juni 2024 einstimmig und unverändert beschlossen. Die Verkündung erfolgte am 24. Juli 2024 und das Gesetz trat sodann am 25. Juli 2024 in Kraft.

Hintergrund

Anlass für die Neuregelung gab ein aufsehenerregendes Urteil des Bundesgerichtshofs aus vergangenem Jahr (Az. 6 StR 133/22). Dessen Kernaussage liegt darin, dass die Gewährung eines überhöhten Arbeitsentgelts an ein Betriebsratsmitglied den Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllen kann. Nach Auffassung der Bundesregierung habe dieses Urteil in der Praxis vermehrt zu Rechtsunsicherheiten und gar zur präventiven Kürzung von Betriebsratsvergütungen geführt, u.a. weil in dem Urteil nicht sämtliche Aspekte der oft schwierigen Bestimmung der „richtigen“ Vergütung von Betriebsratsmitgliedern deutlich geworden seien.

Grundsätze der Betriebsratsvergütung

Die Neuregelung stellt die aktuelle Rechtslage klar und schreibt die maßgeblichen Normen des § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 S. 2 BetrVG im Sinne des Ehrenamtsprinzips fort; neue oder zusätzliche Entgeltansprüche sollen nicht geschaffen werden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der beabsichtigten Neuregelungen, werden die elementaren Grundsätze der Betriebsratsvergütung im Folgenden kurz beschrieben.

  • Ehrenamtsprinzip

Das Ehrenamtsprinzip besagt, dass Betriebsratsmitglieder grundsätzlich keine gesonderte Vergütung für ihre Betriebsratstätigkeit erhalten dürfen (vgl. § 37 Abs. 1 BetrVG). Die Betriebsratsarbeit ist demnach eine unentgeltliche Tätigkeit. Auf diese Weise wird die Unabhängigkeit des Betriebsratsmitglieds und des Betriebsrats als Organ gewährleistet.

  • Lohnausfallprinzip

Sofern Betriebsratsmitglieder durch ihre Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit versäumen, werden sie nach dem sog. Lohnausfallprinzip weiterhin vergütet (vgl. § 37 Abs. 2 BetrVG). Sie erhalten jenes Arbeitsentgelt, welches sie ohne die Betriebsratstätigkeit erhalten hätten, wenn sie regulär gearbeitet hätten. Dieses Entgelt umfasst neben der Grundvergütung auch eine etwaige variable Vergütung, Weihnachtsgratifikationen oder Anwesenheitsprämien, kann jedoch im Einzelfall bspw. auch Zuschläge oder Zulagen umfassen.

  • Mindestentgeltschutz nach § 37 Abs. 4 BetrVG

Ausschließlich an die bisherige Vergütung bei Amtsantritt anzuknüpfen, wird jedoch insbesondere jenen Betriebsratsmitgliedern nicht gerecht, die vollständig und teilweise über viele Jahre freigestellt sind, da unberücksichtigt bliebe, wie sich ihr beruflicher Weg und dementsprechend auch ihre Vergütung ohne die Betriebsratstätigkeit entwickelt hätten. Dies stünde nicht zuletzt in Widerspruch zum Benachteiligungsverbot, dessen Ausprägungen § 37 Abs. 4 sowie § 78 S. 2 BetrVG darstellen. Vor diesem Hintergrund regelt § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG, dass das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Hierfür bedarf es der Bildung einer Vergleichsgruppe, was neben der Bestimmung der betriebsüblichen Entwicklung bei langjährigen Betriebsratskarrieren in der Praxis die größte Schwierigkeit darstellt.

  • Vergütungsanpassung nach § 87 S. 2 BetrVG

Der Mindestentgeltanspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG ist in den Fällen unzureichend und erweist sich gar als Benachteiligung, in denen ein Betriebsratsmitglied eigentlich eine höhere Vergütung als jene der Vergleichsgruppe zu erwarten hätte, weil es sich beruflich besser als diese entwickelt hätte. Hierfür muss dargelegt werden, dass eine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen der Betriebsratstätigkeit erfolglos geblieben ist. Hat sich das Betriebsratsmitglied auf eine Beförderungsstelle tatsächlich nicht beworben, kann ggf. mit einem „fiktiven Beförderungsanspruch“ argumentiert werden, wobei dazu notwendig ist, dass die Bewerbung gerade wegen der Freistellung und oder/ der Betriebsratstätigkeit unterlassen wurde und diese ansonsten erfolgreich gewesen wäre. Angesichts der hohen Darlegungshürden sind diese Fälle jedoch bislang kaum Gegenstand der Rechtsprechung.

Inhalte der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes

An diese Grundsätze knüpft die nun beschlossene Gesetzesänderung an und verfolgt hierbei das Ziel, die – im Wesentlichen auf Rechtsprechung basierende – Rechtslage klarzustellen und fortzuschreiben.

  • Zeitpunkt für die Bestimmung der Vergleichsgruppe

Entsprechend des Gesetzesentwurfs wurde § 37 Abs. 4 BetrVG dahingehend ergänzt, dass zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen sei, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt.

Mit dieser Formulierung wird in der Tat der gegenwärtige Stand der Rechtsprechung wiedergegeben. In der der Begründung heißt es, dass – ebenfalls in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung – ein sachlicher Grund für eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe beispielsweise darin liegen kann, dass das Betriebsratsmitglied die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und einen entsprechenden Änderungsvertrag mit dem Arbeitgeber schließt. Kein sachlicher Grund für eine Vergütungsanpassung ist nach wie vor die Wiederwahl des Betriebsratsmitglieds oder eine spätere Freistellung.

Aus der Begründung ergibt sich ferner, dass wenn in dem betreffenden Betrieb Vergleichspersonen fehlen, vergleichbare Arbeitnehmer eines anderen Betriebs oder – wenn auch dort Vergleichspersonen fehlen – die nächstvergleichbare Arbeitnehmergruppe herangezogen und das Mindestentgelt nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG entsprechend § 287 ZPO geschätzt werden kann. Damit adressiert die Bundesregierung eine in der Literatur umstrittene Frage.

  • Konkretisierung der Vergleichbarkeit und Vergleichspersonen durch (Betriebs-)Vereinbarung

Darüber hinaus können die Betriebsparteien mithilfe einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln, wie es teilweise schon jetzt geübte Praxis ist.

Anhaltspunkte für die konkreten Kriterien der Vergleichbarkeit gibt die Neuregelung angesichts der Vielfalt betrieblicher Stellenanforderungen und -bewertungen nicht. Die Begründung erschöpft sich hierzu in der Wiedergabe der hierzu ergangenen Rechtsprechung, wonach diejenigen Arbeitnehmer vergleichbar seien, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren.

Eine Neuerung stellt hingegen die Regelung dar, dass die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer Betriebsvereinbarung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Diese an § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG angelehnte Regelung ist grundsätzlich zu begrüßen. Das gilt auch für die weitere Ergänzung, wonach auch die Festlegung der Vergleichspersonen lediglich auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann, wenn diese einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Textform erfolgt sei. Die Gesetzesbegründung stellt dabei klar, dass die Vergleichspersonen auf Basis der in der Betriebsvereinbarung bestimmten Vergleichskriterien festgelegt werden müssen. Den Betriebsparteien wird insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der das Risiko von Verstößen gegen das Begünstigungs- bzw. Benachteiligungsverbot im Zusammenhang mit der Betriebsratsvergütung tatsächlich reduziert, da nur sachwidrige Kriterien oder eine verfehlte Gewichtung der jeweiligen Kriterien bzw. eine Festlegung der Vergleichspersonen anhand anderer als der in der Betriebsvereinbarung identifizierter Kriterien einen Verstoß gegen das Benachteiligungs- oder Begünstigungsverbots aufgrund der Vergleichsgruppenbildung zu begründen vermögen.

  • Konkretisierung der Kriterien für den beruflichen Aufstieg

Zu guter Letzt wurde die Vorschrift des § 78 BetrVG dahingehend ergänzt, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliege, wenn das Gremienmitglied in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Insofern werden Kriterien vorgegeben, an denen sich die benachteiligungs- und begünstigungsfreie Entgeltgewährung insbesondere bei einem beruflichen Aufstieg orientieren kann.

Aus der Begründung ergibt sich ferner, dass bei einer Stellenbesetzung auch während der Amtstätigkeit erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen berücksichtigt werden dürfen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamtes für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des BGH, wonach durch die Betriebsratstätigkeit erworbene Kompetenzen wie z.B. ein „Verhandeln auf Augenhöhe“ oder eine „komplexe Aufgabenwahrnehmung“ nicht berücksichtigungsfähig seien, da dies unzulässigerweise an die Betriebsratstätigkeit anknüpfe. Ob beispielsweise neue juristische oder wirtschaftliche Kenntnisse nun doch berücksichtigungsfähig sind, bleibt wohl weiterhin unklar.

Zusammenfassung

Die Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetzes ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie präzisiert die geltende Rechtslage auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und schafft stellenweise, etwa durch die eingeschränkte Überprüfbarkeit der Vergleichsgruppenbildung bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung, etwas mehr Rechtssicherheit.

Von einem großen Wurf, der Arbeitgebern sämtliche Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Vergütung von Betriebsräten nimmt, ist sie jedoch noch ein ganzes Stück entfernt. Antworten auf entscheidende Fragen, wie etwa die konkrete Bildung der Vergleichsgruppe, bleiben der Praxis überlassen.