Besteuerung von Leistungen einer Schweizer Familienstiftung

BFH, Urteil vom 01.10.2024, VIII R 25/21 – In seinem Urteil vom 01.10.2024 hat sich der BFH mit der Besteuerung von Leistungen einer Schweizer Familienstiftung nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auseinandergesetzt. Dabei legt der BFH das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit einer Gewinnausschüttung aus, das in der Praxis häufig zu Streitigkeiten führt. Voraussetzung für eine Steuerbarkeit ist nach Auffassung des BFH, dass der Destinatär in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt, die die Stiftungssatzung für einen Leistungsbezug aufstellt, d.h. er muss zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen gehören und eine Gegenleistung darf nicht zu erbringen sein. Der Destinatär muss aber keinen Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen können, um mit einem Anteilseigner vergleichbar zu sein.

Kurz zusammengefasst:

Der Kläger hat im Streitjahr 2017 eine einmalige Auskehrung einer Geld- und Sachleistung von der B-Stiftung mit Sitz in der Schweiz erhalten. Die B-Stiftung ist eine nach den Vorschriften des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs gegründete rechtsfähige Familienstiftung. Nach der Stiftungsurkunde bezweckt die Stiftung die Unterstützung von Angehörigen der Familie, der auch der Kläger angehört. Zur Erfüllung des Stiftungszwecks stehen sowohl die Erträge des Stiftungsvermögens als auch das Stiftungsvermögen selbst zur Verfügung. Der Stiftungsrat entscheidet im Rahmen des Stiftungszwecks nach seinem Ermessen darüber, ob, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt eine Zuwendung erfolgt; ein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Mitteln aus der Stiftung besteht nicht.

Im Einkommensteuerbescheid berücksichtigte das Finanzamt die Auskehrung der B-Stiftung als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 32d Abs. 1 EStG. Der Einspruch und die Klage des Klägers vor dem Finanzgericht Hamburg blieben erfolglos. Der BFH sah die Revision als unbegründet an. Das FG habe zutreffend entschieden, dass es sich bei der Auskehrung der B-Stiftung an den Kläger um einen steuerpflichtigen Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG handele. 

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG, die Gewinnausschüttungen i.S. des  § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallen. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG gilt dies entsprechend für Leistungen von vergleichbaren Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben. Die nach Schweizer Recht rechtsfähige B-Stiftung ist mit einer inländischen rechtsfähigen Stiftung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG vergleichbar. 

Die Auskehrung führt beim Kläger auch zu Einnahmen und stellt eine Leistung der Stiftung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG dar. Denn der Begriff der Leistung erfasst alle Arten von Vermögenstransfers in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen sowie Nutzungsüberlassungen.

Die Leistung ist nach Ansicht des BFH schließlich auch einer Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar und gehört bei dem Kläger nicht bereits zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die wirtschaftliche Vergleichbarkeit erfordert nach Auffassung des BFH, dass die Stellung des Destinatärs wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht und sich die Leistung als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses darstellt.

Die Stellung des Destinatärs einer Stiftungsleistung entspricht wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners, wenn er zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen gehört und sich die Leistung auch nicht als Gegenleistung für einen Beitrag des Destinatärs darstellt. Die Einräumung und Ausübung von Vermögens oder Organisationsrechten durch die Stiftungssatzung ist nicht erforderlich. Abzustellen ist somit nicht auf die rechtliche Stellung des Destinatärs im Verhältnis zur Stiftung und ihren Organen. Entscheidend, ist vielmehr, ob der Destinatär wirtschaftlich eine Stellung wie ein Anteilseigner hat. Zwar besteht nach bisheriger BFH-Rechtsprechung eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit, wenn der Destinatär Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen kann. Ungeklärt war aber bisher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit auch dann gegeben sei, wenn ein solcher Einfluss nicht möglich ist. 

Die Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG zeigt nach Auffassung des BFH, dass der Gesetzgeber Stiftungsleistungen ausdrücklich in dessen Anwendungsbereich einbezogen habe, obwohl die Rechtsstellung des Destinatärs – der gesetzlichen Typik entsprechend – keine Mitbestimmungs- oder Vermögensrechte vorsehe. Der Gesetzgeber habe diesen strukturellen Unterschieden zwischen Kapitalgesellschaften und Stiftungen somit keine Bedeutung zumessen wollen. Aus den Gesetzesmaterialien ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG nur vom gesetzlichen Normalfall abweichende Destinatäre, denen gesellschafterähnliche Rechte eingeräumt wurden, erfasst sein sollten. Auch der Wortlaut stelle für die Vergleichbarkeitsprüfung auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit in erster Linie auf die Leistung und nicht den Leistungsempfänger ab. Zudem spreche der Gesetzeszweck für dieses Verständnis der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit einer Gewinnausschüttung, da die Vergleichbarkeitsprüfung nachträglich ergänzt wurde, um Stiftungen/Destinatäre und Kapitalgesellschaften/Anteilseigner annähernd gleich zu belasten und um Leistungen auszuschließen, denen im weitesten Sinne eine Gegenleistung gegenübersteht. Dies erfordere aber keine besonderen Anforderungen an die Mitwirkungs- oder Vermögensrechte des Leistungsempfängers gegenüber der Stiftung. Vielmehr spreche nach Ansicht des BFH der Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit dafür, potenziell anspruchsberechtigte Personen in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG aufzunehmen, da diese ähnlich einem Gesellschafter, der die Früchte aus dem hingegebenen Kapital erhalte, Begünstigte der Früchte aus dem einst hingegebenen Stiftungskapital seien. 

Nach den Feststellungen des FG erfüllte der Kläger die zuvor genannten Voraussetzungen. Der Umstand, dass er einen Vortrag bei der B-Stiftung gehalten habe, ändere dies nicht und stelle insbesondere keine Gegenleistung dar, so dass die Auskehrung § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG unterfällt.

Mit seiner Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung über die Vergleichbarkeit von Destinatären und Anteilseignern ergänzt. Eine Annäherung ihrer rechtlichen Stellungen ist demnach nicht erforderlich. Im Gegensatz zu Anteilseignern ist es bei Destinatären nicht erforderlich, dass sie einen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen können. Mit seinen grundlegenden Ausführungen über die Besteuerung von Leistungen an Destinatäre schafft der BFH Klarheit für eine Vielzahl von Fällen. Es handelt sich damit um ein Urteil, das im Stiftungssteuerrecht viel Beachtung finden wird.

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