Grunderwerbsteuerliche Zuordnung von Grundstücken in Bezug auf mehrstöckige Beteiligungen
Urteil vom 23.07.2024, II R 11/22 (V) – Mit Urteil vom 23.07.2024 bekräftigt der BFH seine (bis zum Wirksamwerden des § 1 Abs. 4a GrEStG noch geltenden) Grundsätze für die grunderwerbsteuerliche Zuordnung von Grundstücken in Bezug auf mehrstöckige Beteiligungen. Demnach ist ein inländisches Grundstück, das zivilrechtlich einer Untergesellschaft gehört, der Obergesellschaft nur zuzuordnen, wenn die Obergesellschaft das Grundstück selbst durch einen unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbvorgang erworben hat.
Zudem kommt nach Ansicht des BFH eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG für eine niederländische Stiftung (Stichting) nicht in Betracht, weil diese bei einem Rechtstypenvergleich einer Gesamthandsgemeinschaft nicht gleichgestellt werden kann.
Kurz zusammengefasst:
Die Klägerin ist eine Stiftung nach niederländischem Recht, die ihren Sitz in den Niederlanden hat. Sie wurde am 14.10.2009 gegründet. Als Stiftungszweck wurde die Verwaltung der Anteile an der Holding B.V., einer niederländischen Kapitalgesellschaft, sowie die Herausgabe von Zertifikaten zu diesen Anteilen festgelegt. Ebenfalls am 14.10.2009 wurde die Holding B.V. gegründet und der niederländische Staatsangehörige B als alleiniger Vorstand der Stichting sowie alleiniger Geschäftsführer der Holding B.V. bestellt. Unmittelbar nach der Gründung der Holding B.V. erfolgte eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe von weiteren Anteilen an den B. Dieser brachte die Anteile an der Holding B.V. im Anschluss in die Stichting ein und erhielt im Gegenzug Zertifikate. Im Anschluss hielt die Stichting nahezu alle Anteile an der Holding B.V.
Am 24.12.2009 wurde eine weitere Kapitalerhöhung durch Ausgabe von neuen Anteilen bei der Holding B.V. beschlossen. Die neuen Anteile wurden an den B ausgegeben, mit der Folge, dass dieser im Anschluss zu ca. 40% an der Holding B.V. beteiligt war. Als Gegenleistung übertrug B 100% seiner Anteile an der A-N.V., einer belgischen Kapitalgesellschaft, auf die Holding B.V. Die A-N.V. war Alleingesellschafterin der C-GmbH, die am 20.05.2009 ein inländisches Grundstück erworben hatte. Im unmittelbaren Anschluss (noch am selben Tag) brachte B auch die neu erhaltenen Anteile an der Holding B.V. in die Stichting ein und erhielt weitere Zertifikate, mit der Folge, dass die Stichting erneut zu nahezu 100% an der Holding B.V. beteiligt war.
Das zuständige Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer aufgrund der Übertragung der Anteile des B an der Holding B.V. auf die Klägerin am 24.12.2009 fest. Einspruch und Klage vor dem FG Münster (Az. 8 K 1945/19 GrE) blieben erfolglos. Die Klägerin war der Ansicht, dass bereits mit der Übertragung am 14.10.2009 die 95%-Schwelle überschritten wurde und die zwischenzeitliche Unterschreitung durch die Kapitalerhöhung unerheblich sei, da nur die erstmalige Anteilsvereinigung steuerbar sei. Jedenfalls wäre aber ein etwaiger grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 5 Abs. 2 GrEStG in der im Streitjahr (2009) geltenden Fassung steuerfrei.
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das FG habe zutreffend entschieden, dass die Vereinigung der Anteile an der Holding B.V. in der Hand der Stichting aufgrund des Vertrags vom 24.12.2009 der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG unterliegt und nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
Im vorliegenden Fall sei das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Anteilsvereinigung durch die Einbringung der Anteile des B an der Holding B.V. in die Klägerin (Stichting) am 24.12.2009 vollzogen wurde. Das gilt selbst dann, wenn nach niederländischem Recht dem Übergang der Anteile an der Holding B.V. auf die Klägerin kein anspruchsbegründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen sein sollte. Die Einbringung der Anteile des B an der Holding B.V. in die Klägerin am 24.12.2009 führte dazu, dass sich mindestens 95% der Anteile der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt haben.
Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang nach Auffassung des BFH die Frage, ob eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG auch eingreift, wenn die Beteiligungsgrenze von 95% nach einem Absinken erneut überschritten wird. Bei der erstmaligen Vereinigung aller Anteile an der Holding B.V. in der Hand der Stiftung (am 14.10.2009) war die Holding B.V. weder unmittelbar noch mittelbar an der C-GmbH beteiligt, so dass in keinem Fall eine steuerbare Anteilsvereinigung gegeben sein konnte. Der Anteilsvereinigung steht weiterhin nicht entgegen, dass am 24.12.2009 nur ein Teil der Anteile an der Holding B.V. auf die Stichting übergingen. Denn es nicht erforderlich, dass die Anteile in einem einheitlichen Übertragungsvorgang auf den Anteilserwerber übergingen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG kann vielmehr auch durch mehrere sukzessive Rechtsakte verwirklicht werden, sofern diese summiert zu einer Anteilsvereinigung von mindestens 95% der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft führen.
Das Grundstück, das im zivilrechtlichen Eigentum der C-GmbH steht, ist der Holding B.V. auch grunderwerbsteuerlich zuzuordnen. Eine grunderwerbsteuerliche Zuordnung ist anzunehmen, wenn eine Gesellschaft in Bezug auf ein bestimmtes Grundstück einen unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Dies gilt auch bei mehrstöckigen Beteiligungen. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich daher nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft oder das bloße Halten einer Beteiligung stellt noch keinen Erwerbsvorgang dar, sodass entgegen der Ansicht des FG die 100%ige Beteiligung der Holding B.V. an der A-N.V., die ihrerseits zu 100% an der C-GmbH beteiligt war, für die Erfüllung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG nicht ausreichte. Entscheidend ist vielmehr, dass die C-GmbH bereits seit dem 20.5.2009 grundbesitzend war und dies jedenfalls bis zum Zeitpunkt der (mittelbaren) Einbringung in die Holding B.V. (24.12.2009) auch geblieben ist.
Schließlich ist auch die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG nicht anwendbar. Zwar können auch ausländische Gesellschaften von § 5 GrEStG erfasst sein. Nach den Feststellungen des FG, die im konkreten Fall für den BFH bindend sind, ist die Klägerin aber unabhängig davon, dass sie in den Niederlanden transparent besteuert wird, keiner Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar. Es fehlt bereits an einer vergleichbaren Struktur, da die Klägerin keine Mitglieder oder Anteilseigner hat, welche für die Qualifikation als Gesamthandsgemeinschaft Voraussetzung ist. Zudem fehlt es an einer gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens, an der auch die Möglichkeit der Zertifizierung von Anteilen nichts ändere.
Mit dem Jahressteuergesetz 2024 hat der Gesetzgeber eine eigene Zurechnungsvorschrift für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 4a GrEStG (siehe hierzu Steuern Kompakt vom 21.10.2024) geschaffen. Im Unterschied zur – auch im vorliegenden Urteil bestätigten – bisherigen Rechtsprechung führt zukünftig nur noch ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2 GrEStG zu einem Zuordnungswechsel, nicht aber mehr Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG. Demnach ist ein inländisches Grundstück einer Untergesellschaft der Obergesellschaft nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft das Grundstück selbst durch einen unter § 1 Abs. 1, 2 GrEStG fallenden Erwerbvorgang erworben hat. Doppelte Zurechnungen in mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen werden damit verhindert.