Carried Interest bei vermögensverwaltenden Fondspersonengesellschaften
Urteil vom 16.04.2024, VIII R 3/21 (V)
Steuerliche Anerkennung einer kapitaldisproportionalen Gewinnverteilungsabrede (Carried Interest) bei vermögensverwaltenden Fondspersonengesellschaften.
Mit seinem Urteil vom 16.04.2024 hat der VIII. Senat des BFH Klarheit zu den Voraussetzungen geschaffen, unter denen bei vermögensverwaltenden Fondspersonengesellschaften eine kapitaldisproportionale Gewinnverteilungsabrede zugunsten der Fondsinitiatoren (sog. Carried Interest oder Carry) steuerlich anzuerkennen ist. Die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, wonach der Carry als (verdeckte) Tätigkeitsvergütung qualifizieren soll, hätte eine Doppelbesteuerung zur Folge gehabt: Zunächst würde der Carry nicht als Bestandteil des zu verteilenden Gewinns anerkannt und somit die Gewinnanteile der Investoren entsprechend erhöht. Sodann würde die von der Finanzverwaltung fingierte Zahlung der Investoren an die Initiatoren auf Ebene der Carry-Berechtigten als Tätigkeitsvergütung besteuert, jedoch bei den Investoren ein Abzug der (fingierten) Zahlung als Werbungskosten ausscheiden, wenn diese aus ihrer Beteiligung an den vermögensverwaltenden Fonds, wie regelmäßig, Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehen (wegen des Sparer-Pauschbetrags gemäß § 20 Abs. 9 EStG).
Kurz zusammengefasst:
Die Klägerin, eine ausländische Limited Partnership nach dem Recht der Cayman Islands, war in den Streitjahren 2006, 2007 und 2010 in verschiedene Unternehmensbeteiligungen investiert und erzielte daraus Dividendeneinkünfte und Veräußerungsgewinne. Investoren des Fonds waren beschränkt haftende Limited Partner der Klägerin. Die Initiatoren der Fondsstruktur waren über den General Partner an der Klägerin beteiligt. Die Ergebnisverteilung der Klägerin war – soweit für die Streitfrage relevant – im Gesellschaftsvertrag wie folgt geregelt:
- Realisierte Kapitalerträge waren auf der ersten Stufe an alle Gesellschafter entsprechend ihren Kapitalanteilen zu verteilen, bis die Gesellschafter einen bestimmten Verzinsungsbetrag (sog. Vorzugsrendite) auf ihre Einlage erzielt hatten.
- Nach der Zuteilung der Vorzugsrendite waren auf der zweiten Stufe – kapitaldisproportional – 80% des verbleibenden Gewinns dem Kapitalkonto des General Partner (Carried Interest) und 20% den Kapitalkonten aller Gesellschafter anteilig gutzuschreiben. Diese höhere Ergebniszuweisung an den General Partner nach dem Carried Interest war nur vorzunehmen, wenn die bisherigen Gutschriften auf dem Kapitalkonto des General Partner einen Betrag in Höhe von 30% der seit Beginn der Gesellschaft realisierten Erträge nicht überstiegen.
- Ein etwaig danach noch verteilbarer Gewinn war zu 30% dem General Partner und zu 70% sämtlichen Gesellschaftern zuzuweisen.
In den Streitjahren wurden dem General Partner und den Limited Partnern nach den o.g. Regelungen Gewinne unter Berücksichtigung des Carried Interest zugewiesen und auf den Kapitalkonten gutgeschrieben. In den Feststellungserklärungen erklärte die Klägerin diejenigen Kapitalerträge, die sich für die inländischen Limited Partner als Feststellungsbeteiligte nach Abzug des Ergebnisanteils des General Partner, einschließlich eines Carried Interest, ergaben. Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt dagegen die Auffassung, der Carried Interest des General Partner sei nicht als Gewinnanteil, sondern als Tätigkeitsvergütung zu behandeln, die die Limited Partner dem General Partner im Rahmen eines abgekürzten Zahlungswegs (über die Gewinnverteilung) gezahlt hätten. Die auf die inländischen Limited Partner entfallenden Gewinnanteile wurden entsprechend in den geänderten Feststellungsbescheiden erhöht.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage beim FG München (Az. 12 K 2334/18) hatte Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH den Streitfall jedoch nicht final entschieden, sondern aufgrund eines Verstoßes des FG München gegen die Pflicht zur notwendigen Beiladung sämtlicher betroffenen inländischen Gesellschafter zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Der BFH hat dem FG jedoch die folgenden Hinweise für die Prüfung erteilt, ob die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung im Streitfall als Gewinnverteilungsabrede oder als Vereinbarung einer verdeckten Tätigkeitsvergütung einzuordnen ist:
- Eine schuldrechtliche Tätigkeitsvergütung kann zwar auch im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Hiervon ist allerdings nur auszugehen, wenn die Vergütung nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags als (handelsrechtliche) Ausgabe zu behandeln und auch zu zahlen ist, wenn kein Gewinn erwirtschaftet wird. Fehlt es an einer derartigen unmissverständlichen Vereinbarung, liegt im Zweifel eine Gewinnverteilungsabrede vor.
- Für die steuerrechtliche Anerkennung einer Gewinnverteilungsabrede ist erforderlich, dass sie im Gesellschaftsverhältnis begründet ist und einem Fremdvergleich standhält. Dabei steht es den Gesellschaftern einer Personengesellschaft frei, ihre Rechtsverhältnisse und besonders die Verteilung des Gewinns so zu regeln, wie es ihnen richtig zu sein scheint, wenn diese Bedingungen im natürlichen Interessengegensatz ausgehandelt worden sind.
- Etwas anderes gilt, wenn für die Gewinnverteilung nicht allein die Verhältnisse der Gesellschafter in der Gesellschaft und insbesondere ihre Beiträge zum Gesellschaftszweck maßgebend sind, sondern wenn die Verteilung von anderen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern beeinflusst ist, die ihre Grundlage nicht im Gesellschaftsverhältnis haben.
- Eine von der vereinbarten Gewinnverteilungsregel abweichende Zurechnung der Einnahmen anhand der Kapitalanteile gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO kommt bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften nicht in Betracht, wenn die Gesellschafter eine von diesem Maßstab abweichende, steuerrechtlich anzuerkennende Vereinbarung zur Einkünftezurechnung getroffen haben.
- Die Qualifikation der Carry-Einkünfte auf Ebene des Carry-Berechtigten oder einer Carry-Holder-Gesellschaft als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG hat keine Bedeutung für die Gewinnverteilung und Einkünfteermittlung auf Ebene der Fondsgesellschaft. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Normzweck des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG lässt sich ableiten, dass die Regelung in die Gewinnverteilung und Einkünfteermittlung der Fondsgesellschaft hineinwirkt und auf dieser Ebene ein der Einkommensverwendung zuzurechnender Gewinnverzicht der Investoren sowie eine Umqualifikation der disproportionalen Ergebniszuweisung in eine verdeckte schuldrechtliche Tätigkeitsvergütung des Carry-Berechtigten stattfindet.