Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG
FG Münster, Beschluss vom 13.06.2024, 6 V 252/24 E
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG).
Mit Beschluss vom 13.06.2024 hat nun auch der V. Senat des FG Münster ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG) geäußert. Neben dem kürzlich veröffentlichten BFH-Beschluss (VIII B 113/23) stellt dies die dritte Entscheidung eines Finanzgerichts (FG Münster, FG Rheinland-Pfalz und FG Baden-Württemberg) zur Verfassungskonformität von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG dar.
Kurz zusammengefasst:
Im Streitfall vor dem FG Münster erlitten die zusammenveranlagten Antragsteller mit dem Handel von CFDs (Contract for Difference – Differenzkontrakt) Verluste, die sie aufgrund des speziellen Verlustverrechnungskreises von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nicht vollständig ausgleichen konnten. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG sieht eine gleiche doppelte Begrenzung des Ausgleichs von Verlusten aus Termingeschäften vor, weil nach dem 31.12.2020 entstandene derartige Verluste nur (i) mit Gewinnen aus Termingeschäften oder Einkünften aus Stillhalterprämien verrechnet werden dürfen und (ii) die Verlustverrechnung im Veranlagungszeitraum auf maximal EUR 20.000 beschränkt ist. Nicht ausgeglichene Verluste werden in die Folgejahre vorgetragen und können dann ebenfalls nur i.H.v. EUR 20.000 mit den vorgenannten Kapitalerträgen verrechnet werden, sofern das Verrechnungsvolumen von EUR 20.000 nicht bereits durch einen unterjährigen Verlustausgleich verbraucht worden ist.
Unter Anwendung von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG ließ das Finanzamt eine Verlustverrechnung von „nur“ EUR 20.000 zu und erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Hiergegen legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab und stellte das Einspruchsverfahren im Hinblick auf das seinerzeit beim FG Baden-Württemberg anhängige Klageverfahren zu § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (10 K 1091/23) ruhend. Daraufhin stellten die Antragsteller beim FG Münster einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV).
Das FG Münster kam bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte bestehen, weil es an einem Rechtfertigungsgrund für eine durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG verursachte Ungleichbehandlung fehlt. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG hält bereits einer Prüfung am Maßstab des Willkürverbots nicht stand, weil es an einem sachlich einleuchtenden Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. In seinen Ausführungen stützt sich das FG Münster maßgeblich auf den AdV-Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 05.12.2023 (1 V 1674/23), in welchem ebenfalls ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG) geäußert wurden.
Der VIII. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 07.06.2024 (VIII B 113/23) die Auffassung des FG Rheinland-Pfalz bestätigt und eine sehr klare Haltung bzgl. einer Verfassungswidrigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkungen des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG ausgedrückt. Da der BFH-Beschluss jedoch erst am 27.06.2024 veröffentlicht wurde, bezog sich das FG Münster in seiner Entscheidung noch auf das Vorverfahren beim FG Rheinland-Pfalz. Damit obliegt es im Streitfall nun dem Finanzamt, eine Entscheidung über den Einspruch zu treffen oder diesen weiterhin ruhen zu lassen.
Seit Kurzem liegt auch die veröffentlichte Entscheidung im Klageverfahren vor dem FG Baden-Württemberg (10 K 1091/23; Revision zugelassen) vor, das Anlass der Ruhendstellung des Einspruchsverfahrens durch das Finanzamt war. Das FG Baden-Württemberg hat entschieden, dass es trotz Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung nicht davon überzeugt sei, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum überschritten habe und der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei (vgl. Steuern Kompakt vom 15.07.2024). Das FG Baden-Württemberg repräsentiert damit eine klare Mindermeinung.
Somit ist festzuhalten, dass sich das BVerfG aller Wahrscheinlichkeit nach mit § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG zu befassen hat. Im Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg ist zu erwarten, dass der BFH einen Vorlagebeschluss zum BVerfG zum Zwecke der Normenkontrolle fasst. Daneben könnte auch das FG Rheinland-Pfalz, welches sich nach den AdV-Verfahren nun im anhängigen Hauptsacheverfahren mit der Thematik zu befassen hat, eine Normenkontrolle durch das BVerfG anstoßen.
Neben der Beschränkung der Verlustverrechnung für Termingeschäfte steht auch die Verrechnung von Verlusten aus der Aktienveräußerung nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG) auf dem grundgesetzlichen Prüfstand. Insoweit hat sich der BFH bereits im Vorlagebeschluss vom 17.11.2020 (VIII R 11/18, anhängig beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 3/21) dahingehend geäußert, dass es für die Ungleichbehandlung innerhalb der Schedule der Kapitaleinkünfte selbst bei einer Prüfung anhand des Willkürmaßstabs an einem hinreichenden rechtfertigenden Grund fehlt, weil dieser sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen ergibt.