BFH entscheidet über die Gewinnaufteilung bei Bauausführungs-Betriebsstätten
Urteil vom 05.06.2024, I R 32/20 (V)
Der BFH entscheidet über die Gewinnaufteilung bei Bauausführungs-Betriebsstätten.
Kurz zusammengefasst:
In der Sache I R 32/20 befasste sich der BFH mit der gewerbesteuerlichen Behandlung von Gewin-nen einer GmbH & Co. KG (Klägerin), die Teil eines niederländischen Konzerns ist und als Generalunternehmerin im Wohnungsbau tätig war. Gesellschafter der Klägerin sind die V-GmbH und die B-GmbH. Die Klägerin hatte den statutarischen Sitz in Deutschland und baute Wohnungen, überwiegend auf eigenen Grundstücken im Inland, die sie nach der Bebauung veräußerte. Zudem führte sie zu einem geringeren Teil auch Bauprojekte auf fremden Grundstücken durch. Die Geschäfts- sowie die Projektleitung einschließlich des dafür benötigten Personals befanden sich in den Niederlanden, während die Baustellen im Inland lediglich durch einen Polier und einen Bauleiter überwacht wurden. Die Bauarbeiten selbst wurden durch Subunternehmer durchgeführt, die von der niederländischen Konzernzentrale beauftragt wurden.
Ein Joint Audit deutscher und niederländischer Prüfer für die Jahre 2012 und 2013 führte zu einer Aufteilung der Besteuerungsrechte: Gewinne aus Bauprojekten auf eigenen Grundstücken wurden vollständig in Deutschland besteuert. Bei Projekten auf fremden Grundstücken wurde nach der Dauer der Bauzeit differenziert: Gewinne aus Projekten von weniger als zwölf Monaten sollten ausschließlich in den Niederlanden besteuert werden, während Gewinne aus längeren Projekten zu 80% in den Niederlanden und zu 20% in Deutschland besteuert werden sollten. Diese Aufteilung führte für das Jahr 2012 zu einer Besteuerung von mehr als 90% der Gewinne durch Deutschland.
Die Klägerin beanstandete die zugrunde liegende Aufteilung hinsichtlich der Bauten auf eigenen Grundstücken, da diese den nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 9 Nr. 3 GewStG erforderlichen Inlandsbezug des Gewerbebetriebs nicht zutreffen wiederspielte. Nach erfolglosem Einspruch erreichte sie beim FG Düsseldorf eine teilweise Änderung der Bescheide. Das FG Düsseldorf (Az. 9 K 1904/18 G) entschied, dass im Rahmen der Kürzungen zusätzlich eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorgenommen wird, wies die Klage jedoch im Übrigen ab.
Der BFH hob das Urteil des FG Düsseldorf auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung zurück an das FG. Er bemängelte, dass das FG Düsseldorf nicht alle zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die abkommensrechtliche Ansässigkeit der Klägerin und ihrer Gesellschafterinnen nicht ausreichend geprüft hat, was für die Gewinnaufteilung entscheidend ist. Des Weiteren genügte die Gewinnabgrenzung zwischen den inländischen und niederländischen Betriebsstätten im Rahmen der Schätzung nicht den Anforderungen des § 162 AO. Das FG hat zudem nach Auffassung des BFH eine ungeeignete Gewinnaufteilung ohne hinreichende Funktions- und Risikoanalyse durchgeführt.
Ausgehend vom Betriebsstätten-Begriff des § 12 AO, handelte es sich bei den Bauarbeiten auf fremden Grundstücken um Bauausführungs-Betriebsstätten i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO, soweit diese Bauarbeiten länger als sechs Monate andauerten. Bei den im Eigentum stehenden Grundstücken, die bebaut wurden, handelt es sich um Betriebsstätten nach § 12 Satz 1 AO.
Da die Geschäfts- und Projektleitung der Klägerin für diese Bauarbeiten allerdings in den Niederlanden ausgeübt worden ist, werden die damit verbundenen Einkünfte nicht vollumfänglich im Gewerbeertrag berücksichtigt.
Als Personengesellschaft ist die Klägerin nicht unmittelbar abkommensberechtigt, sondern sind dies allenfalls deren Gesellschafterinnen (beide GmbH). Die Klägerin ist selbst nicht abkommensberechtigt, da sie nicht wie eine juristische Person besteuert wird und daher keine Person i.S. des Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 ist. Dass die Klägerin als gewerblich tätige Personengesellschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG Steuerschuldnerin der Gewerbesteuer ist, reicht für eine Besteuerung „wie eine juristische Person“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 DBA-Niederlande 1959/2004 nicht aus. Denn die Gewerbesteuer knüpft für die Besteuerung nicht an die Rechtsform des Unternehmens und dessen Sitz oder Ort der Geschäftsleitung, sondern an die Existenz einer inländischen Betriebsstätte an. Als Steuerschuldnerin kann die Klägerin sich aber auf die Abkommensberechtigung ihrer Gesellschafter berufen.
Einkünfte, die durch die Bauarbeiten auf fremden Grundstücken entstehen, sind abkommensrechtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004. Die Aufteilung der Besteuerungsrechte hängt maßgeblich davon ab, ob sich die Geschäftsleitungen der Gesellschafterinnen der Klägerin (V-GmbH und der B-GmbH) in Deutschland oder den Niederlanden befunden haben. Hierzu fehlten Feststellungen des FG Düsseldorf. Befanden sich deren Geschäftsleitungen in den Niederlanden, stünde Deutschland nur das Besteuerungsrecht zu, soweit die Gewinne auf die inländischen Betriebsstätten entfielen. Befanden sich die Geschäftsleitungen von V-GmbH und B-GmbH dagegen in Deutschland, stünde Deutschland das grundsätzliche Besteuerungsrecht zu. Lediglich die der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne wären dann von der Bemessungsgrundlage auszunehmen.
Anders ist dies bei den Einkünften zu beurteilen, die durch die Bauarbeiten auf eigenen Grundstücken inkl. deren anschließenden Veräußerung entstehen. Diesbezüglich steht Deutschland das Besteuerungsrecht zu, da es sich um Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 handelt (sofern die Gesellschafterinnen in den Niederlanden ansässig waren). Hätten die Gesellschafterinnen ihren Ort der Geschäftsleitung in Deutschland gehabt, könnte ebenfalls allein Deutschland diese Einkünfte besteuern. Gleichwohl unterliegen die aus der Veräußerung der eigenen, bebauten Grundstücke entstanden Einkünfte in Deutschland nicht vollständig der Gewerbesteuer. Sie sind nach § 9 Nr. 3 GewStG aus dem Gewerbeertrag zu kürzen. Soweit die Einkünfte auf die ausländische Geschäfts- und Projektleitung (inkl. Beauftragung der Subunternehmer) zurückzuführen sind, sind sie einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen. Diese unterliegt jedoch nicht der Gewerbesteuer im Inland. Da das Abkommensrecht keine Steuerschuld begründet, ändert auch das grundsätzliche Besteuerungsrecht Deutschlands hieran nichts. Ebenso kann die Verständigung im Joint Audit auf ein deutsches Besteuerungsrecht den gesetzlich vorgeschriebenen Inlandsbezug der Gewerbesteuer nicht überschreiben.
Der BFH bemängelte sodann, dass das FG bei der Gewinnaufteilung zu voreilig von einer eigenen Schätzungsbefugnis ausgegangen ist und nicht hinreichende Erwägungen bzgl. der Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung angestellt hat. Das FG hätte sowohl eine Gewinnabgrenzung nach der sogenannten direkten Methode als auch eine Schätzung auf der Grundlage, der für die innerstaatliche Gewinnabgrenzung heranzuziehenden Zerlegungsregeln vornehmen können. Die Gründe, mit denen das FG Düsseldorf eine Gewinnaufteilung anhand dieser Maßstäbe ablehnte, teilte der BFH nicht. So setzen die Zerlegungsregeln in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich nicht gleichartige Betätigungsstrukturen der Betriebsstätten voraus, sondern tragen dem Umstand Rechnung, dass Gewerbebetriebe über Geschäftsleitungsbetriebsstätten verfügen. Eine Aufteilung zwischen Baustellen und Geschäftsleitung ist damit prinzipiell möglich. Zudem sind die vom Gesetzgeber für Inlandsfälle vorgesehenen Regeln auf grenzüberschreitende Fälle grundsätzlich übertragbar.
Selbst wenn diese Maßstäbe nicht anwendbar seien, hat das FG laut BFH nicht alle zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft, um ein möglichst realitätsnahes Schätzungsergebnis zu erreichen. Denn es hat den Geschäftsleitungs- und Projektierungsanteil, die Bausauführung und die Wertsteigerung „mangels konkreter weiterer Anhaltspunkte“ schlicht mit jeweils einem Drittel angesetzt. Diese Berücksichtigung einzelner Wertschöpfungsbeiträge ohne Vornahme einer Funktions- und Risikoanalyse rügt der BFH als „grobe und überschlägige Vorgehensweise“.
Mit seinem Urteil gibt der BFH den Finanzgerichten und damit auch den Steuerpflichtigen sowie der Finanzverwaltung ein klares Schema für die Prüfung von Besteuerungsrechten von Gewinnen aus Bauausführungs-Betriebsstätten vor. Da die Entscheidung auch grundsätzliche Aspekte der Abkommensberechtigung von Personengesellschaften beinhaltet, entfaltet sie auch außerhalb des konkreten Sachverhalts Strahlkraft.