Grunderwerbsteuerbescheid auf Grundlage des § 1 Abs. 2b GrEStG

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.01.2025, 12 V 12129/24 – Die zweifache Festsetzung der Grunderwerbsteuer (i) aufgrund des Kaufvertrags über die Anteile (Signing) an einer grundstückshaltenden Gesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG und (ii) aufgrund des zeitlich auseinanderfallenden dinglichen Erfüllungsgeschäfts nach § 1 Abs. 2b GrEStG (Closing) verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und stellt auch keine Übermaßbesteuerung dar.

Antragstellerin im AdV-Verfahren ist die grundstückshaltende A GmbH, deren sämtliche Anteile die E GmbH hielt. Mit Anteilskaufvertrag vom 22.03.2024 veräußerte die E GmbH (Verkäuferin) ihre Geschäftsanteile an der A GmbH an die F GmbH (Käuferin) (sog. Signing). Die Abtretung erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger und fristgerechter Kaufpreiszahlung auf das Notaranderkonto (Zeitpunkt des sog. Closing). Mit Eingang am 28.03.2024 beim Antragsgegner zeigte die Notarin den Vorgang des Anteilskaufvertrags (Signing) beim zuständigen Finanzamt an. Der Kaufpreis ging am 02.04.2024 auf dem Notaranderkonto ein. 

Mit Bescheid vom 30.05.2024 erließ das Finanzamt aufgrund des Anteilskaufvertrags einen Bescheid über Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG gegenüber der F GmbH sowie mit gleichem Datum einen Bescheid im Schätzungswege über Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der Antragstellerin. Erst nach Festsetzung zeigte die Notarin das Closing gegenüber dem Finanzamt an. 

Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid vom 30.05.2024 (offensichtlich der Bescheid über Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG) fristgerecht Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung, welche das Finanzamt ablehnte. 

Der Senat hält den Antrag für unbegründet. 

Die Steuerfestsetzung vom 30.05.2024 verstößt nach Ansicht des Senats nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und stellt auch keine Übermaßbesteuerung dar. 

Bei Geschäftsanteilskaufverträgen wie dem vorliegenden zwischen zwei Personen- bzw. Kapitalgesellschaften wird gleichzeitig der grunderwerbsteuerliche Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG (Besteuerung des Verpflichtungsgeschäfts) sowie des § 1 Abs. 2b GrEStG (Besteuerung des Anteilsübergangs als dingliches Rechtsgeschäft) verwirklicht. 

Fallen beide Rechtsgeschäfte in einem Zeitpunkt zusammen, tritt der in § 1 Abs. 3 GrEStG gesetzlich angeordnete Vorrang des § 1 Abs. 2b GrEStG bereits auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit einer Doppelbesteuerung entgegen (vgl. Gleich lautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 05.03.2024, BStBl. I 2024, 383, Ziff. 7.1). In der Folge wird eine Steuerfestsetzung nur nach § 1 Abs. 2b GrEStG vorgenommen.

Anders verhält es sich, wenn das schuldrechtliche Verpflichtungs- und das dingliche Erfüllungsgeschäft auseinanderfallen. Die Finanzverwaltung geht in diesem Fall von zwei grunderwerbsteuerlichen Vorgängen aus (Gleich lautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.05.2022, BStBl. I 2022, 801, Ziff. 8.1.) und nimmt eine Steuerfestsetzung sowohl nach § 1 Abs. 3 GrEStG für das Verpflichtungsgeschäft und später bei dinglichem Vollzug des Anteilswechsels eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG vor. 

Eine Übermaßbesteuerung liegt nach Ansicht des Senats deshalb jedoch nicht vor. Obwohl der Wortlaut „soweit eine Besteuerung nicht in Betracht kommt“ keine zeitliche Eingrenzung enthält, sei eine zweifache Besteuerung nach den Tatbeständen des § 1 Abs. 3 GrEStG als auch des § 1 Abs. 2b GrEStG jedenfalls im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer als sog. Stichtagsteuer vertretbar. 

Mit Schaffung des § 16 Abs. 4a GrEStG sei dem Steuerpflichtigen jedoch die Möglichkeit eingeräumt worden, bei Verwirklichung des dinglichen Erfüllungsgeschäfts nach § 1 Abs. 2b GrEStG (Closing) die Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG (für das Signing) zu beantragen mit dem Ergebnis, dass nur die Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG verbleibt. Dadurch habe es der Steuerpflichtige selbst in der Hand durch seine rechtzeitige und in allen Teilen vollständige Anzeige den zweifachen Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Der Gesetzgeber habe mit § 16 Abs. 4a GrEStG den Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 2b GrEStG umgesetzt. Die Ausgestaltung des Anwendungsvorrangs im Antragswege steht in der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liege aufgrund der unterschiedlichen Handhabung des Gesetzgebers zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei Zusammen- bzw. Auseinanderfallen von Signing und Closing nicht vor. Es bestehe bereits keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, wenn sich die Vertragsparteien dazu entscheiden, die dingliche Wirkung ihres schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts nicht sofort, sondern nach Ablauf einer bestimmten Zeit eintreten zu lassen.

Der Beschluss des FG Berlin-Brandenburg ist die erste finanzgerichtliche Entscheidung zu der höchst praxisrelevanten Frage des Anfalls einer möglichen zweifachen Grunderwerbsteuer bei Auseinanderfallen von Signing und Closing. Für die steuerliche Beratungspraxis ergibt sich daraus die Notwendigkeit, Transaktionsstrukturen und Anzeigeobliegenheiten besonders sorgfältig zu prüfen, um keine Mehrfachbesteuerung nach § 1 Abs. 3 und 2b bzw. 2a GrEStG auszulösen. Gegen den Beschluss des FG Berlin-Brandenburg ist Beschwerde zugelassen. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH den Fall beurteilen wird.

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