Zur Besteuerung der Erträge aus einem ausländischen Investmentfonds
BFH, Beschluss vom 01.07.2025, VIII R 18/22 – Dem § 1 Satz 2 InvG lässt sich – hier für Zwecke des InvStG 2004 – kein Gebot der Fremdverwaltung dahingehend entnehmen, dass die Vermögensverwaltung durch den Fondsverwalter von jeglichen Einflussnahmen durch den Anleger abgeschirmt sein muss; im Übrigen ist die Besteuerung nach dem InvStG 2004 bei einem Privatanleger abschließend und vorrangig gegenüber einer Besteuerung nach allgemeinen Vorschriften.
Der Kläger ist ein in Deutschland ansässiger Privatanleger und hielt im Streitjahr 2011 Anteile an einem Spezial-Investmentfonds nach luxemburgischem Recht in der Rechtsform eines sog. fonds commun de placement (FCP), der von einer S.A. mit Sitz in Luxemburg aufgelegt worden war. Sofern der Kläger den Erwerb oder den Verkauf von Vermögensgegenständen befürwortete, füllte er ein Anlagevorschlagsformular aus, welches er an die Fondsmanagerin übermittelte; für das Streitjahr 2011 wich die Fondsmanagerin nicht von den Vorschlägen des Klägers ab.
Die Erträge auf Fondsebene wurden thesauriert; die Besteuerungsgrundlagen wurden jährlich im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Für das Streitjahr erklärte der Kläger ausschüttungsgleiche Erträge als Kapitalerträge ohne inländischen Steuerabzug. Die Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgte im Jahr 2013 zunächst erklärungsgemäß.
Nachdem im August 2015 publik geworden war, dass die Privilegierung Luxemburger Spezialfonds aufgrund von angeblichen Verstößen der Anleger gegen einen nach Auffassung der Finanzverwaltung bestehenden Fremdverwaltungsgrundsatz in den Fokus steuerstrafrechtlicher Ermittlungen geraten war, machte der Kläger vorsorgliche Angaben über die Abwicklung von Transaktionen und gab dabei an, faktisch Einfluss auf die Verwaltung des Fonds genommen zu haben. Weiterhin teilte er die Besteuerungsgrundlagen vorsorglich unter Außerachtlassung der Regelungen des InvStG 2004 für den Fall mit, dass die faktische Einflussnahme – entgegen seiner Rechtsaufassung – zum Wegfall der Anwendbarkeit des InvStG 2004 führen sollte.
Das Finanzamt leitete daraufhin ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Das Finanzamt für Steuerfahndung und Strafsachen war sodann der Ansicht, dass dem FCP die Fondseigenschaft i.S.d. InvStG 2004 zu versagen sei. Notwendige Voraussetzung für die Fondseigenschaft sei auch eine Abschirmung vom Vermögensverwaltungsrecht der Anleger. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse habe der Kläger jedoch nachhaltig in die Verwaltungsbefugnis der Kapitalanlagengesellschaft eingegriffen. Bei dem FCP handle es sich deshalb nicht um einen Investmentfonds. Es liege daher keine Fondsbeteiligung, sondern eine Direktanlage vor, die auf steuerliche Privilegierungen abgezielt habe. Die Erträge seien daher dem Kläger nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO unmittelbar zuzurechnen gewesen. Dies gelte selbst bei Anwendung des InvStG 2004, da für diesen Fall ein faktisches Treuhandverhältnis angenommen werden könne.
Das Finanzamt folgte dieser Rechtsauffassung und erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es die Einkünfte aus Kapitalvermögen erhöhte. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Einspruch ein. Mit der gegen die Einspruchsentscheidung gerichteten Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte der Kläger dagegen Erfolg. Das FG war der Rechtsauffassung, dass der Anwendung des InvStG 2004 die nachhaltige Einflussnahme des Klägers auf die Anlageentscheidungen des Fondsverwalters nicht entgegengestanden habe; zudem sei nach der für das Streitjahr gültigen Fassung des InvStG das Vorliegen einer Fremdverwaltung keine notwendige Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit gewesen.
Mit seiner Revision macht das Finanzamt insbesondere geltend, dass sich aus der Gesetzessystematik ein Gebot der Fremdverwaltung ergebe.
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Auch nach Auffassung des BFH erfüllte die vorliegende Fondsbeteiligung des Klägers im Streitjahr die Voraussetzungen eines ausländischen Investmentanteils i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG 2004 i.V.m. § 2 Abs. 8 und Abs. 9 InvG, da der FCP richtigerweise als ausländisches Investmentvermögen einzuordnen war und dem Kläger ein Anspruch auf Auszahlung seines Anteils am Fondsvermögen gegen Rückgabe seines Fondsanteils zustand.
So unterlag der FCP nicht nur luxemburgischem Aufsichtsrecht, auch handelte es sich bei dem Fonds um ein Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, das nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenstände i.S.d. § 2 Abs. 4 InvG angelegt war. Weitergehende materielle Anforderungen an die Art und den Inhalt der Vermögensverwaltung durch die Kapitalanlagengesellschaft ergeben sich dagegen weder aus dem Wortlaut von § 1 Satz 2 InvG, noch aus systematischen oder gesetzeshistorischen Erwägungen. Insbesondere lässt sich der vorstehenden Norm kein Gebot der Fremdverwaltung entnehmen, wonach die Vermögensverwaltung durch den Fondsverwalter von jeglicher Einflussnahme durch den Anleger abgeschirmt sein müsse. Keiner Entscheidung bedurfte es dagegen der Frage, ob und in welchen Ausnahmefällen es nichtsdestotrotz an einer gemeinschaftlichen Kapitalanlage fehlen könnte. Zwar werden dahingehende Ausnahmen im Hinblick auf vertraglich bindende Weisungsrechte des Anlegers über die Anlageentscheidung diskutiert, ein solcher Fall lag jedoch ohnehin nicht vor. Weder aus dem Verkaufsprospekt noch aus dem Fondsmanagervertrag ließen sich Weisungs- oder Verfügungsrechte des Klägers ableiten. Auch sei der Kläger nicht faktisch in der Lage gewesen, bindende Anlageentscheidungen vorzugeben – vielmehr habe dieser lediglich Anlagevorschläge unterbreiten können.
Letztendlich scheidet auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 abweichende, direkte Zuordnung der Vermögensgegenstände des Fondsvermögens zum Kläger nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO aus. Die Besteuerung nach dem InvStG 2004 ist bei einem Privatanleger abschließend und vorrangig gegenüber einer Besteuerung nach allgemeinen Vorschriften (siehe auch BFH, Urteil vom 24.10.2023 – VIII R 8/20, BStBl II 2025, 305).
Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen. Sie beendet die jahrelange Unsicherheit, ob eine Einflussnahme der Anleger in die Vermögensverwaltung durch den Fondverwalter zu einer Nichtanwendbarkeit des InvStG 2004 führt, weil der Begriff des Investmentvermögens im InvStG 2004 das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Fremdverwaltung enthält. Dies hat der BFH mit überzeugenden Argumenten abgelehnt. Jedenfalls gebe es kein Gebot, welches es verlangt, dass die Vermögensverwaltung durch den Fondsverwalter von jeglicher Einflussnahme des oder der Anleger frei sein muss. Unschädlich jedenfalls sind Anlageempfehlungen des Anlegers an den Fondsmanager. Dies gilt nach ausdrücklicher Auffassung des BFH selbst dann, wenn dieser den Anlageempfehlungen des Anlegers (immer) folgt, weil der Anleger nicht in der Lage ist, dem Fondsmanager Anlageentscheidungen bindend vorzugeben.
Unseres Erachtens sind die Entscheidungsgrundsätze des BFH auch auf den Begriff des Investmentvermögens gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2018 i.V.m. § 1 Abs. 1 KAGB anzuwenden (in diese Richtung auch FG München, Gerichtsbescheid vom 07.10.2024 – 7 K 1803/21, EFG 2025, 503-510). Zwar wird in Rn. 12 der ESMA-Leitlinien (ESMA/2013/611) vom 13.08.2013 klargestellt, dass für die Einordnung als „Organismus für gemeinsame Anlagen“ nach neuem Recht u.a. folgendes Merkmal gilt: „[…] die Anteilseigner des Organismus besitzen – als Gruppe – keine laufende Ermessens- bzw. Kontrollbefugnis. Die Tatsache, dass einem oder mehreren, jedoch nicht allen vorstehend genannten Anteilseignern eine laufende Ermessens- bzw. Kontrollbefugnis gewährt wurde, sollte nicht als Nachweis dafür herangezogen werden, dass es sich bei dem Organismus nicht um einen Organismus für gemeinsame Anlagen handelt.“ Schädlich ist es nach unserem Verständnis danach nur, wenn den Anlegern laufende Ermessens- und Kontrollbefugnis über operative Fragen der täglichen Verwaltung der Vermögenswerte der Klägerin zustehen. Die bloße Teilnahme der Anleger an Investmententscheidungen sollte unseres Erachtens nicht hierunter fallen, so dass der vom BFH entschiedene Sachverhalt nach neuem Recht genauso zu beurteilen sein sollte. Inwieweit tatsächlich Abweichungen bestehen, wäre noch näher zu analysieren.
Ferner dürfte die Entscheidung unseres Erachtens auch Auswirkungen haben auf die Frage, ob Anlageempfehlungen von Anlegern oder Berater an den AIFM Auswirkungen auf den Ort der Geschäftsleitung eines extern verwalteten Fonds in Gesellschafts- oder Vertragsform haben. Dies spielt insbesondere bei Ein-Anleger Fonds oder bei Fonds mit ausschließlich konzerninternen Anlegern eine wichtige Rolle. Falls der AIFM im Hinblick auf die Anlageempfehlungen eigenständige, qualifizierte Entscheidungen trifft, ist der Ort der Geschäftsleitung am Sitz des AIFM. Hierbei ist es nach Auffassung des BFH unschädlich, wenn sämtliche Anlageempfehlungen vom Anleger kommen und diese auch vom AIFM umgesetzt werden, vorausgesetzt der AIFM trifft eine eigenständige Entscheidung. Dies sollte unseres Erachtens jedoch entsprechend dokumentiert werden.
Schließlich könnte die Entscheidung des BFH auch für die BaFin Anlass sein, den Entwurf ihres Merkblatts zur Einflussnahme von Anlegern auf Investments und Desinvestments von Investmentvermögen zu überarbeiten und sich an den vom BFH aufgestellten Abgrenzungskriterien zu orientieren. Dies gilt insbesondere für den im Merkblatt enthaltenen Begriff der „indirekten Weisung“, der unseres Erachtens im Widerspruch zu der aktuellen Rechtsprechung des BFH steht (vgl. Merkblatt zur Einflussnahme von Anlegern auf Investments und Desinvestments von Investmentvermögen, Entwurf BaFin vom 14.03.2025 S. 4).