BGH: Zur Haftung eines Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten der Gesellschaft
Urteil vom 28. Januar 2021, Az. IX ZR 54/20
Der BGH äußerte sich in dieser Entscheidung zur Frage der Haftung eines Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten, die in einem vorläufigen Insolvenzverfahren über das Vermögen seiner Gesellschaft begründet wurden, und ändert damit seine bisherige Rechtsprechung.
Sachverhalt
Der Beklagte ist Kommanditist einer GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin), die sich mit dem Erwerb und Betrieb eines Containerschiffs befasste. Er erhielt im Laufe der Jahre Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 13.293,59 €, ohne dass die Schuldnerin Gewinne erwirtschaften konnte. Nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt veräußerte die Schuldnerin mit der erforderlichen Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters das Containerschiff. Hierfür setzte das Finanzamt Bremen eine Gewerbesteuer in Höhe von 309.552,40 € fest. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nimmt der Insolvenzverwalter den Beklagten wegen seiner Kommanditistenstellung auf Haftung für die Gewerbesteuer in Höhe von 13.293,59 € in Anspruch.
Entscheidung des BGH
Anders als das Berufungsgericht und abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der BGH fest, dass eine gegenständlich beschränkte Haftung der Schuldnerin nicht zu einer Einschränkung der Haftung auch des Gesellschafters der Schuldnerin führt. Vielmehr hafte der Kommanditist in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft für Masseverbindlichkeiten, welche von der Insolvenzschuldnerin begründet worden sind.
Masseverbindlichkeit als Verbindlichkeit der Gesellschaft
Die für den Verkauf des Containerschiffs erhobene Gewerbesteuer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG stelle eine Verbindlichkeit der Gesellschaft dar, für die der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 HGB unmittelbar hafte. Die Haftung des Kommanditisten sei durch die Ausschüttungen in Höhe von 13.293,59 € gemäß § 172 Abs. 4 HGB wieder aufgelebt.
Beschränkung oder Ausschluss der Haftung
Das Berufungsgericht und der BGH in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 24. September 2009 - IX ZR 234/07) hatten bei einer gegenständlich beschränkten Haftung für Masseverbindlichkeiten eine immanente Haftungsbeschränkung auch für Gesellschafter angenommen. Dies lehnt der BGH nunmehr ab.
Beschränkung oder Ausschluss der Haftung aus insolvenzrechtlichen Gründen
Aus den Grenzen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters folge zwar, dass der Verwalter nicht über das massefreie Vermögen der Gesellschaft als Schuldnerin verfügen kann. Entgegen einer früheren BGH-Entscheidung bedeute dies allerdings nicht zugleich, dass auch die Haftung der Gesellschafter für Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters von vornherein eingeschränkt sei. Auch wenn die Gesellschaft als Schuldnerin für bestimmte Masseverbindlichkeiten nur gegenständlich beschränkt hafte, rechtfertige dies allein nicht, dass eine Haftung der Gesellschafter für solche Verbindlichkeiten der Gesellschaft von vornherein ausscheidet. Maßgeblich sei vielmehr allein die Reichweite der gesellschaftsrechtlichen Haftung nach §§ 128, 161 Abs. 1 HGB i.V.m §§ 171, 172 HGB. Danach sei es nicht geboten, die Haftung des Kommanditisten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft auf Insolvenzforderungen – und nicht zugleich Masseverbindlichkeiten – zu beschränken.
Teleologische Reduktion des § 128 HGB
Eine teleologische Reduktion des § 128 HGB wegen fehlender Einflussmöglichkeit der Gesellschafter aufgrund der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters lehnt der BGH ebenfalls ab. Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 22 Abs. 2, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) und dessen Zustimmung zu der Verfügung änderten nichts daran, dass die Gesellschafter Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft hätten nehmen können und die Gesellschaft ihre steuerliche Verpflichtung aus eigenem Handeln begründet habe. Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter könne nur Verfügungen verhindern, sei aber nicht in der Lage, die Schuldnerin gegen deren Willen zu Handlungen anzuhalten. Ebenso wenig könne er selbst Verfügungen mit Wirkungen für und gegen die spätere Insolvenzmasse vornehmen.
Entgegenstehender Regressanspruch des Kommanditisten gegen die Gesellschaft
Ein möglicher Regressanspruch des Kommanditisten gegen die Gesellschaft stehe der Haftung ebenfalls nicht entgegen. Der Kommanditist sei erst dann berechtigt seinen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft geltend zu machen, wenn die Kommanditistenhaftung infolge einer Dividendenausschüttung auf den Regressanspruch nicht mehr mit der Rechtsfolge des § 171 Abs. 2 HGB aufleben kann.
Ergebnis
Der Beklagte hafte somit gemäß § 171 Abs. 1 HGB auch für die Masseverbindlichkeiten seiner Gesellschaft.