BGH: Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für Streitigkeiten zur Zugehörigkeit zum Gläubigerausschuss

Urteil vom 11. März 2021, Az. IX ZR 266/18

Der BGH stellte in dieser Entscheidung fest, dass allein das Insolvenzgericht und nicht das Prozessgericht für die Entscheidung darüber zuständig ist, wer Mitglied in einem Gläubigerausschuss ist. Ist ein Mitglied des Gläubigerausschusses selbst insolvent, so unterliege ihre Vertretung in dem Gläubigerausschuss dem Verwaltungsrecht ihres Insolvenzverwalters.

Sachverhalt 

Die R-GmbH (im Folgenden: R) ist Mitglied des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K-GmbH (im Folgenden: K). R hatte einen Rechtsanwalt bevollmächtigt, sie im Gläubigerausschuss zu vertreten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der R machte der Insolvenzverwalter der R geltend, diese nunmehr im Gläubigerausschuss der K zu vertreten und widerrief die Vollmacht des Rechtsanwalts. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren der K und deren Insolvenzverwalter vertraten jedoch die Auffassung, dass R weiter von dem Rechtsanwalt vertreten wird. Sie ermöglichten es dem Kläger daher nicht, Mitgliedschafts- und Teilhaberechte wahrzunehmen. Der Kläger erhob daher Klage auf Feststellung von Mitgliedschafts- und Teilhaberechten in dem Gläubigerausschuss gegen die übrigen Mitglieder. 

Entscheidung des BGH

Anders als das Berufungsgericht hält der BGH die Feststellungsklage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig. Demnach ist nicht das Prozessgericht, sondern das Insolvenzgericht für die Entscheidung über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Gläubigerausschuss zuständig. Zugleich führte der BGH jedoch zu Gunsten des Klägers aus, dass sein Antrag vor dem Insolvenzgericht in der Sache zum Erfolg führen müsse.

Unzulässigkeit der Klage

Der BGH hielt die Feststellungsklage des Klägers mangels allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers für unzulässig. Daran fehle es insbesondere immer dann, wenn dem Kläger ein im Vergleich zu einer Feststellungsklage einfacherer, schnellerer und kostengünstigerer Weg mit einem im Wesentlichen gleichwertigen Verfahrensergebnis zur Verfolgung seines prozessualen Ziels offenstehe. 

Einen solchen Weg sah der BGH in einem Antrag vor dem Insolvenzgericht analog § 70 InsO. Das Insolvenzgericht sei sachnäher, könne schneller entscheiden und seine Feststellung würde nicht nur inter partes gelten, sondern Bindungswirkung für das gesamte Insolvenzverfahren entfalten.

Entscheidungsbefugnis des Insolvenzgerichts

Die Entscheidungsbefugnis des Insolvenzgerichts hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einem Gläubigerausschuss folge aus der analogen Anwendung des § 70 InsO. Zweck dieser Vorschrift, die dem Insolvenzgericht die Entscheidung über die Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses aus wichtigem Grund zuweise, sei es, die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens zu gewährleisten. Diese ordnungsgemäße Abwicklung sei aber in Gefahr, wenn die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Ausschussmitglieder durch ein obstruktives Verhalten Einzelner gestört werde. So wie der Ausschluss von Mitgliedern nach § 70 InsO zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Gläubigerausschusses erforderlich sein kann, so gelte dies auch umgekehrt für die Feststellung einer streitigen Zugehörigkeit zum Gläubigerausschuss.

Kein Eingriff in die Unabhängigkeit des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung

Der Befugnis des Insolvenzgerichts zu einer solchen Feststellung stehe auch nicht entgegen, dass der Gläubigerausschuss als unabhängiges und eigenständiges Organ der Insolvenzverwaltung lediglich einer Rechtskontrolle durch das Insolvenzgericht unterliege. Die gerichtliche Klärung greife nicht in die Weisungsfreiheit oder die zugewiesenen Aufgaben des Gläubigerausschusses ein. Der Gläubigerausschuss sei zudem nicht im Stande, die Frage selbst verbindlich zu klären, da sie eine Entscheidung über ihren eigenen Konstituierung treffen müsste.

Auch die Kompetenz der Gläubigerversammlung hinsichtlich der Zusammensetzung des Gläubigerausschusses werde nicht angegriffen. Die Feststellung des Gerichts sei lediglich ein Ausspruch zur bestehenden Rechtslage und richte sich nach der Entscheidung der Gläubigerversammlung. Die Gläubigerversammlung selbst könne ebenfalls keine Feststellung zur Zugehörigkeit von Mitgliedern zum Gläubigerausschuss treffen oder diesem Weisungen erteilen. 

Vertretung der Schuldnerin im Gläubigerausschuss durch ihren Insolvenzverwalter 

Der Antrag des Klägers beim Insolvenzgericht dürfte nach den weiteren Ausführungen des BGH jedoch Erfolg haben. Nach § 80 Abs. 1 InsO trete der Insolvenzverwalter an die Stelle der nach dem Gesellschaftsrecht zuständigen Organe und übe damit auch deren Ausschusstätigkeit aus. Die dem ursprünglichen Vertreter erteilte Vollmacht sei damit nach § 117 InsO erloschen. Für eine Billigung der weiteren Vertretung sei ausweislich des erklärten Widerrufs des Klägers kein Raum. 

Ergebnis

Das Insolvenzgericht ist nach der Entscheidung des BGH für die Beurteilung der Zuständigkeit zu einem Gläubigerausschuss zuständig. Der Kläger könne von dem zuständigen Insolvenzgericht eine Entscheidung über seine Zugehörigkeit zum Gläubigerausschuss verlangen, seine Klage vor einem Zivilgericht sei demnach unzulässig.