Tantiemeforderungen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers

BFH, Urteil vom 05.6.2024, VI R 20/22 (V)

Mit Urteil vom 05.06.2024 hat der VI. Senat entschieden, dass Tantiemeforderungen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers bei einem fehlenden Ausweis in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht fällig geworden sind und mithin nicht als zugeflossen gelten. Dies gilt entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch, wenn eine Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den festgestellten Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen, weil ein dahingehender Pflichtenverstoß die Fälligkeit einer im festgestellten Jahresabschluss nicht enthaltenen Tantiemeforderung nicht zu begründen vermag. 

Kurz zusammengefasst:

Der Kläger ist der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Im Geschäftsführervertrag wurde ihm eine Tantieme zugesichert, die einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses jeweils ausgezahlt werden sollte. In den Streitjahren (2015 bis 2017) wurden die vereinbarten Tantiemen weder an den Kläger ausgezahlt, noch bildete die GmbH in ihren Jahresabschlüssen entsprechende Passivposten (Verbindlichkeiten). Der Kläger gab in seinen Einkommensteuerklärungen für diese Jahre zwar Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit an, Tantiemen wurden jedoch nicht erklärt. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH ging das Finanzamt davon aus, dass auch die nicht ausgezahlten Tantiemen vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien. Nach erfolglosem Einspruch des Klägers gab ihm das FG Baden-Württemberg in erster Instanz recht.

Die Revision des Finanzamts war begründet, der BFH verwies die Sache aber zurück an das FG Baden-Württemberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Zunächst stellte der BFH klar, dass Tantiemen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, ihre Besteuerung jedoch voraussetzt, dass sie dem Arbeitnehmer zugeflossen sind. Der Zufluss von Arbeitslohn tritt regelmäßig ein, wenn das Arbeitsentgelt auf dem Konto des Arbeitnehmers gutgeschrieben oder ihm in bar ausgezahlt wird. Darüber hinaus können nach ständiger Rechtsprechung des BFH einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer Einnahmen auch ohne tatsächliche Zahlung oder Gutschrift zufließen. Für die Annahme eines Zuflusses genügt die Fälligkeit einer eindeutigen und unbestrittenen Forderung, die mit der Feststellung des Jahresabschlusses eintritt, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit vereinbart haben. Grund für die Zuflussfiktion ist, dass ein beherrschender Gesellschafter es regelmäßig selbst in der Hand hat, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Überdies kann der Verzicht des Gesellschafters auf seinen Vergütungsanspruch zum Zufluss des Forderungswerts führen, soweit mit ihm eine verdeckte Einlage erbracht wird (BFH vom 09.06.1997 – GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl. 1998, 307).

Für den vorliegenden Fall entschied der VI. Senat, dass Tantiemeforderungen des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers, die in den festgestellten Jahresabschlüssen der Gesellschaft nicht ausgewiesen werden, diesem mangels Fälligkeit nicht zugeflossen sind. Dies gilt – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung  (BMF-Schreiben vom 12.05.2014, BStBl. I 2014, 860) – auch dann, wenn eine dahingehende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den (festgestellten) Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen. Deshalb ist es auch ohne Bedeutung, ob die fehlende Passivierung einer Verbindlichkeit einem Buchungsfehler geschuldet war, oder ob eine Bilanzierung aus anderen Gründen von vornherein nicht in Betracht kam, etwa weil die Tantiemezusage vor der Entstehung der darin vereinbarten Tantiemeansprüche einvernehmlich aufgehoben worden ist.

Allerdings reichte die Feststellung des FG dem BFH nicht aus, um entscheiden zu können, ob dem Geschäftsführer die Forderungswerte der Tantiemeansprüche zugeflossen sind, weil er durch einen Verzicht auf seine Ansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht haben könnte. Der BFH hob deshalb das Urteil des FG auf und verwies die Angelegenheit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück. Das FG hat nun insbesondere die Aufgabe festzustellen, ob der Kläger einvernehmlich mit der GmbH die Tantiemeansprüche vor ihrer Entstehung zum jeweiligen Jahresende aufgehoben oder ob er auf bereits entstandene Tantiemeansprüche verzichtet hat. Während im Falle einer ggf. konkludenten vorherigen Aufhebung der Ansprüche keine den Zufluss von Arbeitslohn begründende verdeckte Einlage vorliegt, würde der Verzicht auf bereits entstandene Tantiemeansprüche, welche die GmbH zunächst als Verbindlichkeiten hätte passivieren müssen, eine zum Zufluss führende verdeckte Einlage begründen, und zwar auch dann, wenn die Passivierung auf Ebene der GmbH aufgrund eines möglichen Buchungsfehlers unterblieben wäre.

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