Das Ende einer Ära

Die Abberufung von Oliver Kahn

Einer der größten europäischen Fußballclubs ruft in den letzten Wochen eindrucksvoll in Erinne-rung, weshalb viele Boulevardblätter den FC Bayern um die Jahrtausendwende als „FC Holly-wood“ betitelten. Wenige Minuten nachdem der deutsche Rekordmeister eine den eigenen An-sprüchen selten genügende Saison in einem Herzschlagfinale mit dem Gewinn der insgesamt 33. Deutschen Meisterschaft sportlich versöhnlich beendet hatte, verkündete der FC Bayern mit der Abberufung von Oliver Kahn als Vorstandsmitglied und -vorsitzenden (der FC Bayern München AG) unmittelbar den nächsten Paukenschlag.

Die Abberufung des einstigen Weltklassetorhüters bietet – neben umfassendem Gesprächsstoff – Gelegenheit, juristisch zu beleuchten, was ein als Aktiengesellschaft verfasster Club bei der Tren-nung von einem Vorstandsmitglied grundsätzlich beachten sollte.

(Un-)Wirksame Abberufung und nun?

Der Aufsichtsrat der FC Bayern München AG hat in einer am letzten Freitag (26. Mai 2023) au-ßerordentlich einberufenen Aufsichtsratssitzung den Beschluss gefasst, die Bestellung von Oliver Kahn zum Vorstandsmitglied und dessen Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden zu widerrufen („Abberufung“). Die Abberufung beendet nach dem Trennungsprinzip grundsätzlich lediglich die Organstellung als Vorstandsmitglied, jedoch nicht automatisch auch den schuldrechtlichen Vor-standsdienstvertrag (hierzu sogleich). Die Abberufung als Vorstandsmitglied bedarf eines wichtigen Grundes in Form einer groben Pflichtverletzung, der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Ge-schäftsführung oder eines Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung (vgl. § 84 Abs. 4 Satz 1 und AktG). Mangels – soweit öffentlich bekannt – grober Pflichtverletzung dürfte es bereits an einem wichtigen Grund für eine Abberufung von Oliver Kahn fehlen, da das Verfehlen der, Jahr für Jahr ambitioniert gesteckten, sportlichen Ziele („Triple“) insbesondere weder eine Unfähigkeit zur Geschäftsführung belegt noch eine grobe Pflichtverletzung darstellt. Unmittelbare Auswirkungen auf die zukünftige Zusammensetzung und die Tätigkeit des Vorstands des FC Bayern folgen aus einer Abberufung ohne wichtigen Grund indes nicht, da die Abberufung wirksam bleibt, bis ein ordentliches Gericht die etwaige Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt hat. Eine echte Option stellt das zuletzt beschriebene Szenario vor den ordentlichen Gerichten nicht dar, da es derzeit nicht nur kaum vorstellbar ist, dass Oliver Kahn in den Vorstand des FC Bayern zurückkehrt, son-dern eine gerichtliche Entscheidung in seinem Sinne ihn lediglich für die Zukunft (ex-nunc) wieder zum Vorstandsmitglied machen würde.

Gut gehütetes Geheimnis: der Vorstandsdienstvertrag 

Unklar ist aktuell – zumindest medial –, ob der Club den Vorstandsdienstvertrag mit Oliver Kahn (außerordentlich) gekündigt hat oder ihn infolge der Abberufung auf Basis einer dienstvertraglichen Regelung zunächst unter Fortzahlung der Vorstandsvergütung freigestellt hat. Letzteres käme einer Überraschung gleich, da auch dem FC Bayern daran gelegen sein dürfte, die finanziellen Belastungen der Trennung nicht explodieren zulassen. Vielmehr hat der Club entweder bereits die außerordentliche Kündigung des Vorstandsdienstvertrags erklärt oder entsprechend der gängigen Praxis im Vorstandsdienstvertrag mittels einer sog. Kopplungsklausel vertraglich geregelt, dass eine Abberufung als Vorstandsmitglied als auflösende Bedingung gleichsam den Vorstandsdienst-vertrag (in der Regel mit Ablauf einer Auslauffrist) beendet. 

Zwar finden sich grundsätzlich von der BGH-Rechtsprechung anerkannte Kopplungsklauseln in nahezu jedem Vorstandsdienstvertrag und sorgen für einen Gleichlauf der Organstellung als Vor-standsmitglied und des schuldrechtlichen Dienstvertrags. Gleichwohl haften Kopplungsklauseln als auflösende Bedingung Unwirksamkeitsrisiken an, da bislang nicht (höchst-)richterlich entschieden ist, ob Kopplungsklauseln individuell zwischen Aktiengesellschaft und Vorstandsmitglied ausgehan-delt sein müssen oder sie andernfalls als AGB gelten, die insbesondere aufgrund eines Verstoßes gegen das – teilweise postulierte – gesetzliche Leitbild, wonach die Organstellung als Vorstands-mitglied und der Vorstandsdienstvertrag rechtlich zu trennen seien, unwirksam sein können (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Eine unwirksame Kopplungsklausel hätte für den FC Bayern – und für jede andere Aktiengesellschaft auch – fatale Folgen, da mangels Beendigung des Vorstandsdienstver-trags ein Anspruch von Oliver Kahn auf Zahlung der Vorstandsvergütung für die vereinbarte Ver-tragslaufzeit bestünde und die Verhandlungsposition des Clubs im Zuge der Verhandlung eines etwaigen Aufhebungsvertrags geschwächt wäre. Um diesen Trumpf tatsächlich ausspielen zu kön-nen, müsste entweder (i) die Kopplungsklausel im Zuge einer gerichtlichen Überprüfung für un-wirksam erachtet werden oder Oliver Kahn müsste (ii) – und hier schließt der Kreis sich – eine Klage erheben mit dem Ziel die Unwirksamkeit der Abberufung als solcher festzustellen. Das hätte zur Folge, dass mangels wirksamer Abberufung, die zur Beendigung des Vorstandsdienstvertrags führende auflösende Bedingung nicht eingetreten wäre.  

Fazit

Clubs, die als Aktiengesellschaft verfasst sind, können wirtschaftliche Nachteile und potenzielle Imageschäden – aufgrund öffentlich ausgetragener Rechtsstreitigkeiten mit geschassten Vorstän-den – mit wasserdichten Beendigungsregelung im Vorstandsdienstvertrag vorhersehbarer und rechtssicherer gestalten. Das gilt indes nicht nur für einen Weltclub wie den FC Bayern, der dieses Jahr nahezu seine gesamte Führungsebene austauscht, sondern abseits vom Profifußball für jede Aktiengesellschaft.