BGH erhöht Rechtssicherheit für EE-Projektentwickler

Kündbarkeit von Nutzungsverträgen in Entwicklungsphase

Der BGH hat mit Urteil vom 12. März 2025 (Az. XII ZR 76/24) für mehr Klarheit bei der Bewertung von Kündigungsmöglichkeiten im Rahmen von Nutzungsverträge für Grundstücke, auf denen Windenergieanlagen („WEA“) errichtet werden sollen, gesorgt. Dabei stellt er insbesondere klar, dass das ordentliche Kündigungsrecht des Grundstückseigentümer in der sog. Reservierungsphase vor Baubeginn zwischen den Parteien auch konkludent, also ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag, ausgeschlossen werden kann.  

Sachverhalt des Urteils 

Die Parteien hatten am 23. Mai 2017 einen Nutzungsvertrag zur Errichtung und zum Betrieb von WEA geschlossen. Die Laufzeit des Nutzungsvertrages sollte hierbei mit seiner Unterzeichnung beginnen, der Grundbesitz allerdings erst mit Baubeginn zur Verfügung gestellt werden. Der Vertrag sollte nach Ablauf von 20 Jahren enden, gerechnet ab dem 31.12. des Jahres, in dem die Inbetriebnahme der letzten geplanten WEA erfolgt.

Die Regelungen des Vertrages ließen das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund ausdrücklich unberührt und schlossen auch eine ordentliche Kündigung nicht aus. Des Weiteren bestand für beide Parteien ein Rücktrittsrecht, wenn nicht in einem Zeitraum von fünf Jahren ab Unterzeichnung des Nutzungsvertrags die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der WEA erteilt oder nicht nachgewiesen wurde, dass die Genehmigung zeitnah bevorsteht. 

Mit Schreiben vom 10. Februar 2022, also noch vor Ablauf der Fünf-Jahresfrist, erklärte der Gestattungsgeber die Kündigung des Nutzungsvertrags mit Wirkung zum 30. Mai 2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. 

Entscheidungsgründe – Kernaussagen 

Der BGH hat die Kündigung als unwirksam abgelehnt und dies im Kern wie folgt begründet:

  • Qualifikation als Mietvertrag: Der BGH ordnet den Nutzungsvertrag als Mietvertrag ein und dürfte damit den Streit zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten beenden, die teils für die Zeit bis zum Baubeginn einen Leihvertrag mit – im Vergleich zur Miete – niedrigschwelligeren Kündigungsmöglichkeiten angenommen hatten (vgl. etwa OLG Celle, Urteil vom 12. August 2021 – 2 U 12/21).
  • Kündigungsfristen: Zunächst stellt der BGH erneut klar, dass im Rahmen von Mietverhältnissen mit fester Laufzeit das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen ist, vgl. § 542 Abs. 2 BGB. Während der Reservierungsphase des Nutzungsvertrages sei der Vertrag jedoch ordentlich kündbar. Hier sei die Laufzeit grundsätzlich unbegrenzt, da die Parteien die feste Laufzeit an den Erhalt der immissionsrechtlichen Genehmigung, mithin an den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung iSv § 158 Abs. 1 BGB, geknüpft haben.
  • Recht zur ordentlichen Kündigung auch in Reservierungsphase: In der vorliegenden Konstellation war nach dem BGH das Recht zur ordentlichen Kündigung in der Reservierungsphase jedoch konkludent (auch im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen) ausgeschlossen. Ein konkludenter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts folge allerdings nicht bereits aus dem Vorhandensein umfangreicher Rücktrittsregelungen für die Reservierungsphase. Er ergebe sich vielmehr aus einer interessengerechten Auslegung der umfangreichen Regelungen zum Rücktrittsrecht in der Reservierungsphase und dem eingeräumten Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages. Andernfalls würden die detaillierten Rücktrittsregelungen entwertet und die explizite Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung spreche deutlich für den abschließenden Regelungswillen in Bezug auf die Kündigungen. Hierbei betont der BGH, dass letztendlich eine Realisierung von WEA als typisch betroffene Vertragsgegenstände nicht möglich wäre, „wenn die vertraglich gebundenen Grundstückseigentümer jederzeit die Möglichkeit hätten, bis zur Entscheidung über die Genehmigung den Nutzungsvertrag durch eine ordentliche Kündigung zu beenden“.
  • Konkludenter Ausschluss der ordentlichen Kündigung und AGB-Recht: Nach dem Urteil ist der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts auch nicht nach den Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam. Insbesondere liege gerade keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB vor:
    • Erstens entstehe der Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts zwar erst mit Baubeginn, der Eigentümer könnte sein Grundstück jedoch während des entgeltlosen Zustandes nahezu uneingeschränkt landwirtschaftlich nutzen und dadurch weiter Einnahmen erzielen, wobei er auch berechtigt bleibe, das Grundstück zu veräußern.
    • Zweitens trage der Nutzungsvertrag dem Interesse des Grundstückseigentümers, nicht dauerhaft ohne Gegenleistung an einen Vertrag gebunden zu sein, durch die entsprechenden Rücktrittsmöglichkeiten Rechnung. Außerdem drohe durch die Rücktrittsmöglichkeit nach fünf Jahren ohne (Aussicht auf) Genehmigung gerade keine potentiell entgeltlos unbegrenzte Vertragslaufzeit, ein Umstand, der etwa das OLG Hamm in seinem Urteil vom 2. Juli 2020 (Az. 5 U 81/19) dazu bewogen hatte, einen konkludenten Kündigungsausschluss im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB nicht anzuerkennen.

Würdigung und Ausblick 

Der BGH schafft mit seinem Urteil somit Klarheit auf mehreren Ebenen. Er beendet zum einen den Streit um die rechtliche Einordnung der Gestattungsverträge insbesondere im Hinblick auf die Reservierungsphase. Er zeigt zum anderen deutlich, dass er die Interessen der Projektentwickler würdigt und einen konkludenten Kündigungsausschluss in der Reservierungsphase auch gemessen an den strengen Vorschriften zu allgemeinen Geschäftsbedingungen für möglich erklärt. Hierbei macht er jedoch auch klar, dass im Hinblick auf eine unangemessene Benachteiligung durch einen solchen Kündigungsausschluss gerade auch in Zukunft stets eine genaue Einzelfallprüfung vollzogen werden muss, die eine Gesamtbetrachtung des Vertragswerkes und der Einzelfallumstände vornimmt. 

Eine weitere Frage lässt der BGH jedoch auch mit seinem aktuellen Urteil ungeklärt. Zwar ordnet er mit seinem neuen Richterspruch ein, dass die feste Vertragslaufzeit mit dem Eintritt der entsprechenden Bedingung eintritt, er verhält sich jedoch nicht dazu, ob im Sinne des § 544 BGB zur Berechnung der dortigen 30-jährigen Frist auf den entsprechenden Bedingungseintritt abzustellen ist oder aber auf den Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung. Vor dem Hintergrund des aktuellen Urteils dürfte der BGH jedoch deutlich der ersten Ansicht zuneigen, da sonst ebenfalls eine Realisierung von Erneuerbaren Energie Projekten in einigen Fällen wirtschaftlich nicht möglich wäre, wenn die vertraglich gebundenen Grundstückseigentümer bereits 30 Jahre nach der Vertragsunterzeichnung den Nutzungsvertrag durch eine ordentliche Kündigung beenden könnten. Denn zwischen Unterzeichnung und tatsächlicher Inbetriebnahme können in der Praxis durchaus einige Jahre vergehen, sodass für eine Amortisation des Projekts ein ausreichend langer Zeitraum des Gestattungsvertrages gegeben sein müsste.