BFH entscheidet zur Aufwärtsabfärbung bei lediglich verrechenbaren Verlusten gem. § 15a EStG

BFH, Urteil vom 11.07.2024, IV R 18/22 (V)

Mit Urteil vom 11.07.2024 hat der IV. Senat des BFH bestätigt, dass für die Aufwärtsabfärbung (negativer) gewerblicher Beteiligungseinkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 Alt. 2 EStG) auf die übrigen Einkünfte keine Geringfügigkeitsgrenze zu berücksichtigen ist und die Abfärbung auch bei lediglich verrechenbaren Verlusten gem. § 15a EStG eintritt. In diesem Zusammenhang hat der BFH entschieden, dass § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG, der die rückwirkende Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 2 EStG (Abfärbung auch bei negativen gewerblichen Beteiligungseinkünften vor 2019) anordnet, nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt.

Kurz zusammengefasst:

In dem entschiedenen Fall erzielte die Klägerin, eine GbR, Vermietungseinkünfte (VuV) und war seit 2003 zu 4,2% an einer gewerblichen KG beteiligt. Für das Jahr 2017 wurden der Klägerin aus der KG-Beteiligung negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ca. EUR -5.000 zugerechnet. Diese stellten einen verrechenbaren Verlust i.S.v. § 15a EStG dar und führten im Folgebescheid zu einem laufenden steuerpflichtigen Gewinn/Verlust von EUR 0. Aufgrund der negativen Beteiligungseinkünfte qualifizierte das Finanzamt die Einkünfte der Klägerin aus VuV nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 Alt. 2 EStG in Einkünfte aus Gewerbebetrieb um. Der hiergegen eingelegte Einspruch der Klägerin und das nachfolgende Klageverfahren beim FG Münster (Az. 15 K 26/20 E,F) blieben erfolglos. Mit der Revision machte die Klägerin nun u.a. die Verfassungswidrigkeit von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG geltend.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Der Senat hat klargestellt, dass die Klägerin die gewerblichen Beteiligungseinkünfte bereits mit der Zurechnung am Ende des Wirtschaftsjahres „bezogen“ hat und es auf einen tatsächlichen Zufluss nicht ankommt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass es sich um negative Einkünfte handelt, die lediglich nach § 15a EStG verrechenbar sind und letztlich in einem steuerpflichtigen Gewinn/Verlust von EUR 0 resultieren. In diesem Zusammenhang hat der BFH bestätigt, dass auch der Bezug geringfügiger Beteiligungseinkünfte zu einer Aufwärtsabfärbung führt, und zwar auch dann, wenn sich ausnahmsweise (zufällig) Beteiligungseinkünfte in rechnerischer Höhe von EUR 0 € ergeben. Auch die Höhe der Beteiligung ist für die Aufwärtsabfärbung nicht von Bedeutung.

Hinsichtlich der rückwirkenden Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 2 EStG hat der IV. Senat entschieden, dass keine verfassungswidrige echte Rückwirkung vorliegt, weil die Regelung gegenüber der alten Rechtslage nicht als konstitutive Änderung zu behandeln ist. Zwar liegt in formaler Hinsicht eine echte Rückwirkung vor, da die mit Wirkung zum 18.12.2019 in Kraft getretene Neuregelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 2 EStG gemäß § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 gilt. Materiell-rechtlich handelt es sich nach Auffassung des BFH jedoch um eine deklaratorische Ergänzung des Gesetzes, weil die BFH-Rechtsprechung bereits vor der Einfügung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 2 EStG davon ausging, dass eine Aufwärtsabfärbung bei positiven oder negativen Beteiligungseinkünften eintritt.

Anzumerken ist noch, dass die Ausführungen des BFH die Aufwärtsabfärbung von Beteiligungseinkünften betrifft. Bei der sog. Seitwärtsabfärbung von eigenen positiven oder negativen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 Alt. 1 EStG) gilt weiter die Bagatellgrenze als ungeschriebene Voraussetzung der Abfärbung. Zu der Seitwärtsabfärbung hat der BFH bereits mit Urteil vom 30.06.2022 (IV R 42/19) entschieden, dass die rückwirkende Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 EStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

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