Das neue Selbstbestimmungsgesetz

Am 12. April hat der Bundestag das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) beschlossen. Es soll am 1. November dieses Jahres in Kraft treten und löst das bisher geltende Transsexuellengesetz (TSG) vollständig ab. In den vergangenen Jahren hat das Bundesverfassungsgericht bereits einige Regelungen des TSG für verfassungswidrig erklärt und es wurde daher von vielen als reformbedürftig angesehen. Durch das neue Gesetz soll es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtert werden, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen zu ändern. Deutschland ist nicht das erste Land, dass die Anforderungen an die Änderungen des Geschlechtseintrages niedrigschwelliger gestaltet. So hat Argentinien bereits 2012 ein Selbstbestimmungsgesetz, das eine Änderung des Geschlechtseintrags per Selbstauskunft ermöglicht, eingeführt. In den Jahren danach sind mehrere Länder wie Chile, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay und der Schweiz diesem Beispiel gefolgt. 

Da die Änderung des Geschlechtseintrags eine zutiefst persönliche Entscheidung darstellt, ist es nicht unmittelbar ersichtlich, welche möglichen Auswirkungen das neue Gesetz auf die Arbeitswelt haben könnte. Deshalb zielen die folgenden Ausführungen darauf ab, nicht nur die gesetzlichen Neuerungen zu erläutern, sondern auch zu untersuchen, ob diese Änderungen neue Anforderungen an Arbeitgeber stellen könnten. 

Änderung der Rechtslage

Bislang erforderte die Änderung des Geschlechtseintrags die Einholung von zwei Sachverständigengutachten sowie eine gerichtliche Entscheidung. Zukünftig soll dies durch eine "Erklärung mit Eigenversicherung" möglich sein. Die betroffene Person muss in ihrer Erklärung versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag oder die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und dass sie sich der der Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist. Die Anmeldung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll drei Monate vor Abgabe der Erklärung beim Standesamt erfolgen. Nach einer Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen, die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen, ist eine erneute Änderung für die Dauer von einem Jahr nicht möglich. 

Quoten in der Arbeitswelt

Ein bereits viel diskutiertes Thema im Arbeitsrecht sind sogenannte Geschlechterquoten. So wurden durch das Führungspositionen-Gesetz Quoten für die Privatwirtschaft und den öffentlichen Dienst eingeführt, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Beispielsweise gilt für Gesellschaften, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, eine fixe Geschlechterquote von 30 % für den Aufsichtsrat. 

Könnte die Änderung des Geschlechtseintrags nun dazu führen, dass eine gesetzlich angeordnete Quote plötzlich nicht mehr erfüllt wird? Nein. Denn nach dem SBGG ist vorgesehen, dass für die Erfüllung von gesetzlichen Quoten das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht der Mitglieder zum Zeitpunkt der Besetzung maßgeblich ist. Eine nach der Besetzung erfolgte Änderung des Geschlechtseintrags eines Mitglieds im Personenstandsregister ist erst bei der nächsten Besetzung eines Mitglieds zu berücksichtigen. Die Änderung des Geschlechts hat somit zunächst keine rechtlichen Konsequenzen für die Erfüllung der Quote. Allerdings kann die Änderung des Geschlechtseintrags dazu führen, dass das Organ zukünftig nicht in der bestehenden Besetzung mangels Erfüllung der Quote weiter bestehen kann und daher ein Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin mit dem entsprechenden Geschlecht gesucht werden muss.  

Viele Unternehmen haben sich zudem freiwillig Zielgrößen für bestimmte Geschlechterquoten gegeben, um die Diversität am Arbeitsplatz zu fördern. Zu solchen freiwilligen Quoten schweigt das SBGG zwar, allerdings bietet es sich an, die Regelung für gesetzliche Quoten entsprechend auf freiwillige Quoten anzuwenden. 

Im Zuge der Diskussionen um das SBGG wurden teilweise Bedenken geäußert, dass die niedrigschwelligen Anforderungen für eine Geschlechtsänderung missbräuchlich dazu genutzt werden könnten, Zugang zu Frauenförderprogrammen oder Quotenplätzen zu erlangen. Der Ausschuss für Frauen und Jugend des Bundesrats schätzt ein solches Risiko allerdings als gering ein, da der Personenstandseintrag selten abgefragt werde und üblicherweise im Rahmen von Bewerbungs- und Auswahlverfahren Gespräche geführt werden, in denen ein potenzieller Missbrauch identifiziert werden könne. 

Ob und in welchem Ausmaß sich solche Missbrauchskonstellationen in Zukunft tatsächlich realisieren, ist zu diesem Zeitpunkt schwer zu beantworten. Ein Blick in die Länder, die bereits mehr Erfahrung in der Praxis mit Selbstbestimmungsgesetzen haben, könnte bei dieser Einschätzung helfen. Ein Bericht von Transgender Europe, eine von der EU finanzierten Nichtregierungsorganisation, hat sich bereits mit den praktischen Erfahrungen mit Selbstbestimmungsmodellen in Europa auseinandergesetzt (Richard Köhler 2022: Self-determinaton models in Europe: Practical experiences. TGEU). In den untersuchten Ländern mit niedrigschwelligen Möglichkeiten zur Änderung des Geschlechtseintrags wurde zum Befragungszeitpunkt im Jahr 2022 kein bekannter Fall von betrügerischer oder krimineller Absicht gemeldet. 

Natürlich kann nie gänzlich ausgeschlossen werden, dass Personen versuchen, Gesetzeslücken zu ihrem Vorteil zu nutzen. Dies trifft jedoch nicht ausschließlich auf das Selbstbestimmungsgesetz zu, sondern gilt ebenso für alle anderen Gesetze. Die positiven Erfahrungen in den anderen europäischen Ländern lassen jedoch hoffen, dass sich die Befürchtungen, dass das Selbstbestimmungsgesetz zu missbräuchlichen Zwecken verwendet wird, auch in Deutschland nicht bewahrheiten.

Was Arbeitgeber beachten sollten

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nach einer Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags grundsätzlich dazu verpflichtet ist, den Arbeitnehmenden mit dem neuen Namen anzusprechen und anzuschreiben. Dies kann auch die Änderung der betrieblichen E-Mail-Adresse oder des Türschildes umfassen. Dazu ist der Arbeitgeber allerdings auch jetzt schon nach dem TSG verpflichtet. Das SBGG regelt zudem, dass nach einer Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens die betroffene Person bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Neuausstellung von „Zeugnissen und anderen Leistungsnachweisen“ sowie von „Ausbildungs- und Dienstverträgen“ verlangen kann. Dies umfasst auch Arbeitsverträge, Änderungsverträge sowie Ergänzungsvereinbarungen. Von einem berechtigten Interesse ist im Regelfall auszugehen, sodass ein entsprechendes Verlangen für den Arbeitgeber einen administrativen Aufwand auslöst, der gegenüber anderen Namensänderungen (z.B. aufgrund Heirat) erhöht ist. Immerhin besteht keine Verpflichtung, alle Dokumente in der Personalakte an den neuen Vornamen anzupassen. 

Außerdem normiert das SBGG ein Offenbarungsverbot, um sogenannte „Zwangs-Outings“ zu verhindern und den betroffenen Personen, einen Neustart zu ermöglichen. Eine ähnliche Regelung existiert bereits im TSG. Das Offenbarungsverbot untersagt es, die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und die bis zur Änderung eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung der betroffenen Person zu offenbaren oder auszuforschen. Das Verbot gilt nicht, wenn besondere Gründe des öffentlichen Interesses eine Offenbarung erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Im Vergleich zur aktuellen Rechtslage ist ein Verstoß gegen das Offenbarungsverbot im Sinne des SBGG bußgeldbewährt, sofern die betroffene Person durch den Verstoß absichtlich geschädigt wird. Das Bußgeld kann dabei bis zu EUR 10.000 betragen.

Arbeitgeber sollten daher insbesondere Mitarbeiter aus dem HR-Bereich und die Führungskräfte der betroffenen Person über dieses Offenbarungsverbot in Kenntnis setzen und hierfür sensibilisieren. Zudem erscheint es ratsam, zu prüfen, ob die derzeitigen technischen und organisatorischen Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf Berechtigungskonzepte für den Zugang zu Personalakten, ausreichen, dem besonderen Schutz, den das Offenbarungsverbot vermittelt, gerecht zu werden. 

Fazit

Letztendlich bleibt damit festzuhalten, dass sich für Arbeitgeber durch das SBGG nicht viel ändern wird, da auch unter der bestehenden Rechtslage Arbeitgeber auf eine Änderung des Geschlechtseintrags oder des Vornamens reagieren müssen. 

Es erscheint dennoch sinnvoll, dass Unternehmen das neue Gesetz zum Anlass nehmen, um ihren Umgang mit trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Arbeitnehmenden zu evaluieren und die administrativen Prozesse insbesondere mit Blick auf das Offenbarungsverbot überprüfen. Denn durch die Vereinfachung des Verfahrens, ist damit zu rechnen, dass mehr Personen ihr Geschlecht und ihren Vornamen ändern lassen. 

Für weitere Informationen darüber, wie die Linklaters Diversity Faculty Ihr Unternehmen dabei unterstützen kann, über rechtliche und regulatorische Entwicklungen im Bereich Diversity, Equity & Inclusion auf dem Laufenden zu bleiben, wenden Sie sich bitte an Matthew Devey, Yukiko Hitzelberger-Kijima und/oder Ihren üblichen Linklaters-Kontakt.