Zur Berücksichtigung von Verlusten nach § 17 Abs. 4 EStG und § 20 Abs. 2 EStG

BFH, Urteil vom 20.02.2024, IX R 12/23 (V)

Mit Urteil vom 20.02.2024 hat der IX. Senat des BFH entschieden, dass das Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendung des § 17 Abs. 2a EStG auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 (§ 52 Abs. 25a Satz 2 EStG) nicht die befristete Fortgeltung der Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen des § 17 EStG entfallen lässt.

Kurz zusammengefasst:

In dem Streitfall war der gemeinsam mit seiner Ehefrau veranlagte Kläger mit einem Nennbetrag von EUR 20.000 an der A-GmbH beteiligt. Im Dezember 2015 gewährte der Kläger der A-GmbH zwei Darlehen über insgesamt EUR 150.000, bevor im Jahr 2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter bestätigte, dass bereits bei Insolvenzeröffnung nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass an den Kläger im Rahmen des Insolvenzverfahrens noch Zahlungen fließen würden.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 erklärte der Kläger nach § 17 EStG einen Verlust i.H.v. von EUR 170.000, bestehend aus dem Verlust des Stammkapitals (EUR 20.000) sowie dem Ausfall der Rückzahlungsansprüche aus den Darlehen (EUR 150.000). Das Finanzamt (FA) erkannte lediglich den Stammkapitalverlust von EUR 20.000 an. Der hiergegen eingelegte Einspruch führte nach erfolgtem Verböserungshinweis zur vollständigen Ablehnung eines Verlustes nach § 17 EStG.

In erster Instanz entschied das FG Düsseldorf (14 K 1638/20 E), dass ein Verlust i.H.v. EUR 20.000 (vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) im Rahmen des § 17 Abs. 4 EStG und darüber hinaus ein Verlust i.H.v. EUR 150.000 nur bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen sei, weil kein Antrag nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG gestellt wurde. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG sieht vor, dass § 17 Abs. 2a EStG (Qualifikation bestimmter Darlehensverluste in der Krise als nachträgliche Anschaffungskosten) auf Antrag auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 anzuwenden ist.

Der IX. Senat des BFH hat nun festgestellt, dass eine Berücksichtigung der Darlehensverluste (EUR 150.000) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mit rechtsfehlerhafter Begründung des FG erfolgt ist, weil eine (zumindest teilweise) Berücksichtigung der Verluste bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 17 EStG) nicht bereits aufgrund des fehlenden Antrags nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG auszuschließen ist. Der BFH begründete dies wie folgt:

  • Nach dem bis zum 31.10.2008 geltenden Eigenkapitalersatzrecht nahm der BFH beim Ausfall eines Gesellschafterdarlehens nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigende nachträgliche Anschaffungskosten an, wenn die Hingabe des Darlehens durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst – d.h. eigenkapitalersetzend – war. Er bejahte einen eigenkapitalersetzenden Charakter, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt haben.
  • Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts zum 01.11.2008 entfiel die Grundlage dieser BFH-Rechtsprechung. Nach dem BFH-Urteil vom 11.07.2017 (IX R 36/15) war die Rechtsprechung allerdings weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils (27.09.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.
  • Der aufgrund des BFH-Urteils vom 11.07.2017 neu eingefügte und grds. erst nach dem 31.07.2019 anwendbare § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen auch nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften im Sinne von § 17 EStG zu berücksichtigen sind. Die Regelung kann auf Antrag des Steuerpflichtigen auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 angewendet werden (§ 52 Abs. 25a Satz 2 EStG).
  • Wenn allerdings kein Antrag auf Anwendung des § 17 Abs. 2a EStG nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG gestellt wurde und der Kläger eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.09.2017 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Klägers bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist, sind die Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen weiter anzuwenden. Eine Berücksichtigung der Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen kommt dann insoweit nicht in Betracht (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG).

Der BFH hat die Sache jedoch zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen, damit dieses ermittelt, in welcher Höhe für den Kläger aus der insolvenzbedingten Auflösung der A-GmbH Verluste anzuerkennen sind:

  • Sollte die A-GmbH sich bereits vor Gewährung der Darlehen in der Krise befunden haben, wären diese Krisendarlehen mit ihrem Nennbetrag als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 EStG zu berücksichtigen.
  • Sofern die Krise erst nach der Darlehensgewährung eingetreten sein sollte, wäre zu ermitteln, inwiefern eine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten aufgrund eines krisenbestimmten Darlehens zu erfolgen hätte.
  • Sollten die Darlehen vor Eintritt der Krise gewährt worden und nicht krisenbestimmt gewesen sein, müsste das FG die Werthaltigkeit der stehengelassenen Darlehen im Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestimmen, da nur der werthaltige Teil im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen wäre. Der nicht werthaltige Teil wäre im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

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