OLG Hamm: Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage des Insolvenzverwalters

Urteil vom 24. Februar 2021, Az. 8 U 2/20

Das OLG Hamm entschied, dass für die Klage eines Insolvenzverwalters auf Feststellung der Begründetheit seines Widerspruchs gegen eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung in der Regel das Feststellungsinteresse fehle und die Klage damit unzulässig sei. 

Sachverhalt 

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Gesellschaft, über deren Vermögen 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte nahm in den Jahren 2001 bis 2016 Dienstleistungen der Insolvenzschuldnerin in Anspruch. Bezüglich der im Gegenzug von der Beklagten geleisteten Zahlungen stand und steht zwischen den Parteien in Streit, ob Bestandteil der Beiträge die Umsatzsteuer war. Die Beklagte meldete 2017 Forderungen zur Insolvenztabelle an, mit der sie die Rückzahlung der vermeintlich an die Insolvenzschuldnerin gezahlten Umsatzsteuer begehrte. Die Forderung ist noch nicht tituliert worden. Der Kläger bestritt die Forderung in voller Höhe und erhob negative Feststellungsklage, um feststellen zu lassen, dass sein Widerspruch gegen die Forderung der Beklagten begründet sei.

Entscheidung des OLG Hamm 

Das OLG Hamm stellt fest, dass die negative Feststellungsklage des Klägers zu Recht vom Landgericht als unzulässig abgewiesen wurde. Es bestehe kein rechtliches Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO.

Grundsätzliche Unzulässigkeit der negativen Feststellungsklage

Im Regelfall sind an das Feststellungsinteresse einer negativen Feststellungsklage keine strengen Anforderungen zu stellen. Im Ausgangspunkt ausreichend ist, dass sich der Gegner des Klägers eines Anspruchs berühmt, den der Klagende bestreitet. Dies ist hier durch die Anmeldung der streitgegenständlichen Forderung zur Insolvenztabelle der Fall.

Unter Berücksichtigung der besonderen insolvenzrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Auslegung der §§ 179 bis 181 InsO, geht der Senat jedoch davon aus, dass eine negative Feststellungklage eines Insolvenzverwalters gegen eine von ihm bestrittene Forderung mangels besonderem Feststellungsinteresse grundsätzlich unzulässig sei. Ein Ausnahmefall sei hier nicht gegeben.

Wortlaut des § 179 InsO

Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, bleibt es nach § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt es nach § 179 Abs. 2 InsO hingegen dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen. Damit normiere § 179 InsO, wer die gerichtliche Feststellung zu betreiben habe und dass grundsätzlich der Gläubiger die (positive) Feststellung zu betreiben habe, dieser also aktiv handeln muss.

Systematik des § 179 InsO

Die Systematik des § 179 InsO spreche ebenfalls für die grundsätzliche Unzulässigkeit der negativen Feststellungsklage. Der Gläubiger der bestrittenen Forderung werde aufgrund des Widerspruchs bei den Verteilungen nicht berücksichtigt, solange er nicht selbst die Feststellung gegen den Bestreitenden betreibe (§ 189 Abs. 1 und 3 InsO).

Die §§ 179 Abs. 1, 189 Abs.1 und 3 InsO würden dem Gläubiger keine Handlungspflicht zur Klageerhebung auferlegen, solange er nicht an der Schlussverteilung teilnehmen möchte. Auch könne der Insolvenzverwalter vor dem in § 189 Abs. 1 InsO normierten Zeitpunkt den Gläubiger nicht zur Klageerhebung durch Aufforderung zum Verzicht zwingen. Die Nichterhebung einer positiven Feststellungsklage des Gläubigers könne daher im Umkehrschluss auch nicht die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage des Insolvenzverwalters rechtfertigen. 

Historie des § 179 InsO

Aus den Vorgängervorschriften des § 179 InsO lasse sich nicht entnehmen, dass der Bestreitende Klage erheben dürfe, wenn der Gläubiger nicht rasch vorgeht. Vielmehr ging die Gesetzesbegründung des Reichsgesetzgebers aus 1877 davon aus, dass die Gefahr bei der Ausschließung bei den Verteilungen (§ 140 KO a.F.) für die Gläubiger einen „genügenden Antrieb zu raschem Vorgehen“ enthalte. Danach bestehe keine besondere Eilbedürftigkeit, die im Falle der Untätigkeit des Gläubigers eine negative Feststellungsklage rechtfertigen würde. 

Sinn und Zweck des § 179 InsO

Sinn und Zweck des § 179 InsO gebiete ebenfalls nicht die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage. Ein besonderes rechtliches Interesse bestehe nicht darin, dass das Insolvenzverfahren möglicherweise länger andauern könnte, sofern die Beklagte mit der Geltendmachung der Forderung gemäß § 179 InsO zuwarte. Eine solche Möglichkeit habe der Gesetzgeber in den §§ 179 Abs.1, 188, 189 InsO gerade gesehen und hingenommen. Ein nachvollziehbares Interesse des Insolvenzverwalters an der Gewissheit des Bestehens oder Nichtbestehens eines angemeldeten Anspruchs ändere nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung, wie sie der Gesetzgeber vorgesehen habe. 

Keine ausnahmsweise Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage

Die negative Feststellungsklage sei hier auch nicht ausnahmsweise zulässig. Dies wäre etwa der Fall, wenn sich der Gläubiger auf die Klage sachlich eingelassen hätte. Dies wäre dann als eigenes Betreiben zu werten (BGHZ 19, S. 163, 164 f.). Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht gegeben. 

Das temporäre Interesse an einer zügigen Abwicklung des Insolvenz- und Verteilungsverfahrens und ein mögliches Kostenrisiko können nach dem OLG Hamm auch nicht ausnahmsweise ein Feststellungsinteresse des Insolvenzverwalters begründen. Diese Risiken seien vom Gesetzgeber erkannt und die Feststellungsklage gleichwohl auf die Fälle des § 179 InsO begrenzt und die späte Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 ZPO statuiert worden.